US-Notenbank plant weitere Zinssenkung

Experten erwarten nächste Woche wieder einen Zins-Schnitt. Die EZB vorerst nicht.

Wien. Die deutliche Zinssenkung der Fed hat ihre beabsichtigte Wirkung auf die Aktienmärkte klar verfehlt. Das wirft einige Fragen über die weitere Entwicklung auf:

1. Wieso hat der kräftige Zinsschritt der US-Notenbank den Börsen nicht geholfen?Die Zinssenkung kam zu spät – und sie hat im Markt den Anschein einer Panikreaktion hinterlassen. Die Akteure an den Märkten glauben nicht, dass die Fed die Situation im Griff hat. Und sie gehen offenbar von einer Wirtschaftskrise aus, die deutlich heftiger als bisher angenommen ausfallen wird.

2. Wie geht es an den internationalen Börsen jetzt weiter?Vorerst ist die Richtung klar: nach unten. Nachdem die Zinssenkung binnen weniger Stunden im Markt „verpufft“ ist, haben die wichtigen europäischen und amerikanischen Indizes am Mittwoch schon wieder heftige Verluste ausgewiesen.

3. Wird die US-Notenbank die Zinsen weiter senken?Voraussichtlich bereits in der kommenden Woche wird die Fed die Zinsen nochmals um 0,5 Punkte auf drei Prozent senken. Damit dürfte das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht sein. Bereits im März könnte die US-Leitzinsen weiter bis auf 2,50 Prozent gesenkt werden.

4. Wie wird die Europäische Zentralbank jetzt reagieren?Die Europäische Zentralbank (EZB) will es der Fed offenbar nicht gleichtun. EZB-Chef Jean-Claude Trichet betonte am Mittwoch, die Euro-Währungshüter würden an ihrem Ziel der Inflationsbekämpfung festhalten. Die Inflation in der Eurozone lag zuletzt deutlich über der angepeilten Obergrenze von zwei Prozent. Experten meinen, dass die EZB zunächst abwarten wird. Sollte die Konjunktur in Europa deutlich unter Druck kommen, könnten die Leitzinsen für die Eurozone im zweiten Halbjahr von vier auf 3,50 Prozent gesenkt werden.

5. Fällt die US-Währung als Folge der Zinssenkung durch die Fed in den Keller?Im Devisenmarkt ist eine Absenkung der US-Leitzinsen bis auf etwa 2,50 Prozent nach Meinung vieler Experten bereits eingepreist. Der Dollar dürfte daher allenfalls noch leicht nachgeben, ein echter Absturz der US-Währung, der die europäische Exportwirtschaft extrem belasten würde, ist nicht wahrscheinlich.

6. Wie groß ist jetzt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession?In den USA: nach Ansicht der meisten Konjunkturexperten groß. Dass auch Europa in eine Rezession kippt, ist noch keine ausgemachte Sache. Die Prognosen werden aber fast täglich zurück genommen. Der Internationale Währungsfonds hat am Donnerstag etwa mitgeteilt, er rechne mit einer „erheblichen Drosselung“ des globalen Wachstums.

7. Falls die Zinswaffe nicht mehr wirkt: Welche Instrumente gibt es noch, um eine Rezession abzuwenden?Zur Verfügung stehen noch die klassischen keynesianischen staatlichen Konjunkturankurbelungsprogramme: Der Staat pumpt Geld in die Wirtschaft und schafft damit Nachfrage, die wiederum die Konjunktur stützt. Die Krise ist allerdings sehr tief, sodass Effekte nur von riesigen Programmen zu erwarten sind. Die erste Ankündigung eines Konjunkturprogramms über 150 Mrd. Dollar durch die amerikanischen Regierung ist am Aktienmarkt praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden.

8. Warum haben die Wirtschaftsforscher das Konjunktur-Desaster nicht kommen sehen?Wirtschaftsforscher sind klassische Trendfolger. Ihre Prognosen sind bei stabilen Trends sehr akkurat, Trendwechsel „erwischen“ sie aber häufig erst im Nachhinein. Die Chefs der beiden heimischen Institute haben die Krise jedenfalls sehr lange heruntergespielt und bis vor kurzem noch öffentlich erklärt, die amerikanische Subprime-Krise werde sich auf Österreich nicht oder nur sehr gering auswirken. Im Dezember wurden die Prognosen aber bereits leicht nach unten revidiert.

9. Wie lange werden Bärenmarkt und Wachstumsschäche dauern?Schwer zu sagen. Ein schnelles Ende ist jedenfalls nicht in Sicht. Beobachter in den USA gehen derzeit von vier bis sechs Quartalen aus, womit die schwierigen Zeiten bis ins kommende Jahr hinein dauern könnten.

10. Wie wirkt sich die US-Rezession auf Österreich aus?Österreich ist keine Insel, wir müssen uns auf deutlich schwächeres Wachstum einstellen. Waren die Forscher bis vor kurzem von bis zu 2,4 Prozent Wachstum in diesem Jahr ausgegangen, so wird man in der Endabrechnung wohl froh sein müssen, wenn eine Eins vor dem Komma steht. Das bedeutet höhere Arbeitslosigkeit und – vor der geplanten Steuerreform – Zusatzbelastungen für das Budget.

AUF EINEN BLICK

Die Börsen haben auf die starke Zinssenkung in den USA mit weiteren Kursverlusten reagiert.

Der IWF rechnet mit einer „erheblichen“ Drosselung des globalen Wirtschaftswachstums, eine Rezession in den USA gilt bereits als sehr wahrscheinlich.

Die Krise könnte länger als ein Jahr dauern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2008)

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