Josef Pröll: „Keinesfalls auf die Große Koalition festgelegt“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der neue ÖVP-Chef Josef Pröll lässt im Interview mit der "Presse" alles offen und sieht mit Schüssel „eine Epoche zu Ende gehen“.

Die Presse: In der SPÖ heißt es, Sie hätten sich Montagabend mit Haider und Strache getroffen.

Josef Pröll: Nein, definitiv nicht.

Spüren Sie schon den Druck, dass sich die ÖVP angesichts der auch auf Österreich überschwappenden Finanzkrise nicht vor der Regierungsverantwortung drücken darf?

Pröll: Es gibt noch nicht einmal Regierungsverhandlungen, und wir haben ja eine Regierung mit einem Finanzminister Wilhelm Molterer, die dieser Krise trotzen wird.

Soll Molterer Minister bleiben?

Pröll: Schauen wir einmal, wen Werner Faymann überhaupt zu Regierungsverhandlungen einlädt.

Ganz überraschend wird das nicht sein, schließlich hat er sich auf die Große Koalition schon festgelegt.

Pröll: Mir hat er das nicht mitgeteilt. Und bei uns ist die Entscheidung – Koalition oder Opposition – noch lange nicht gefallen.

Faymann und Sie gelten als Großkoalitionäre, Sie haben dafür auch den Segen der „Kronen Zeitung“.

Pröll: Auf den Segen der „Krone“ lege ich im konkreten Fall keinen Wert. Ich bin dem Land verpflichtet, der ÖVP und den Wählern.

„Dem Land verpflichtet“ klingt nach Regierung.

Pröll: Das ist auch in der Opposition zu erfüllen. Ich habe mich keinesfalls auf die Große Koalition festgelegt.

Ist Schwarz-Blau-Orange eine realistische Alternative?

Pröll: Nachdem die zwei Herren nicht einmal gemeinsam auf einen Kaffee gehen können, sehe ich dazu derzeit keine Möglichkeit.

Bei Molterer hieß es, Wolfgang Schüssel regiere mit. Bei Ihnen kann man behaupten, Erwin Pröll ziehe die Fäden.

Pröll: Ich habe in allen Fragen völlige Freiheit. Die habe ich mir Montagabend im Parteivorstand mit Einstimmigkeit geholt.

Ist das „System Schüssel“ beendet?

Pröll: „System Schüssel“ würde ich es nicht nennen. Aber es geht eine Epoche nach sieben erfolgreichen und zwei weniger erfolgreichen Jahren zu Ende. So ist die Politik.

Soll Molterer noch eine Rolle spielen?

Pröll: Das entscheidet er selbst.

Jetzt gab's gerade eine große Umverteilungsaktion im Parlament. So wird's angesichts der Wirtschaftskrise nicht weitergehen können, oder?

Pröll: Um der drohenden Finanzkrise zu begegnen, brauchen wir Freiraum. Faymann kann schon ausrechnen, was das Paket gekostet hat.

Was ist der ÖVP künftig wichtig?

Pröll: Wir müssen die Entlastung des Mittelstandes konsequent verfolgen.

Hätten Sie die Wahl gewonnen, hätte man Sie statt Molterer aufgestellt?

Pröll (lacht): Ich freue mich darüber, dass ich ein gutes Vorzugsstimmen-Ergebnis erhalten habe.

ZUR PERSON

Josef Pröll (40) wurde Montagabend vom Parteivorstand der ÖVP zum geschäftsführenden Parteichef ernannt. Der Umweltminister galt schon länger als „Kronprinz“, wurde auch als Innenminister gehandelt. Er koordinierte den inhaltlichen ÖVP-„Perspektivenprozess“ und präsentierte vor einem Jahr dessen Ergebnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.