Peter Hajek: Der Rentnerkritiker

Peter Hajek Rentnerkritiker
Peter Hajek Rentnerkritiker(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Sonntagsspaziergang. Peter Hajek, Politikwissenschaftler und Meinungsforscher, hat mit seiner Idee, Senioren zehn Jahre nach dem Pensionsantritt das Wahlrecht zu entziehen, für Aufsehen und Kritik gesorgt.

Peter Hajek hat in den vergangenen Tagen einmal das versucht, was er als Politikwissenschaftler sonst immer beobachten und kommentieren durfte. Man formuliert eine sehr provokante, völlig überzogene Forderung und löst damit eine heftige Diskussion aus.

Peter Hajek, im Brotberuf Meinungsforscher, wurde in einem Interview gefragt, was er vom Begriff Rentnerdiktatur halte. Heraus kam der Titel: „Politologe will Wahlrecht mit Ablaufdatum“. Hajeks Idee: „Ab Pensionsantrittsalter gilt das Wahlrecht für zehn Jahre, dann verfällt es.“ „Keine Frage, das war eine fetzige Überschrift“, sagt Hajek, während er durch den Liechtenstein-Park im neunten Bezirk in Wien unweit seiner Wohnung geht. Dort spielt er oft mit seinen beiden Kindern, die wie er – so viel steht aus heutiger Sicht wohl fest – mehr in das Pensionssystem einzahlen dürften, als sie herausbekommen werden. Es sei denn, es gehen mehrere neue Babyboomer-Generationen an den Start. Trotz scharfer Reaktionen und wüster Angriffe in einschlägigen Internetforen wird Hajek aber beispielsweise nicht von älteren Spaziergängern im Park beschimpft. Er habe auch nur fünf negative Reaktionen erhalten – und via Mail freundlich beantwortet.

Hajek: „Zur Enttäuschung aller Aufgeregten: Ich will keinen Wahlrechtsentzug für Senioren. Was ich aber durchaus wollte, war, Aufmerksamkeit zu generieren, um eine Debatte anzustoßen, die seit Jahren hinter den Kulissen im Gange ist. Worum es geht: In den Jahren 2030 bis 2040, wenn die Fleischhackers und Hajeks im pensionsfähigen Alter sind, werden die Senioren ein Drittel der Wählerschaft ausmachen. Die Alterung unserer Gesellschaft ist derzeit eine unserer größten Herausforderungen.“

Für Hajek ist die Finanzierung dabei der zentrale Faktor. „Worüber bis dato nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird: Was bedeutet diese Entwicklung für die politischen Prozesse und Entscheidungsfindungen?“ Hajek will an die Kein-Problem-Aussagen der Politiker nicht glauben. Und würde es auch stimmen, wäre es ein falscher „paternalistischer Ansatz“, dass viele Alte für wenige Junge mitentscheiden.

Eine Argumentation lehnt Hajek ebenfalls ab: Die Behauptung, dass Senioren kaum über realen politischen Einfluss verfügten, da sie in den politischen Gremien und Parlamenten kaum vertreten seien, „läuft ins Leere“. Hajek: „Warum sind sonst wahlkämpfende Politiker öfter bei den Senioren als bei den Jüngeren unterwegs? Dort sind schlicht und einfach mehr Stimmen zu holen.“

Hajek, der übrigens zwecks „Vorbildwirkung“ betont, dass er jeden Mittwoch den Tag bei seinen Kindern verbringt – „Papatag“ –, fürchtet nämlich: „Wir wissen aus Umfragen, dass ältere Menschen bei anstehenden politischen Veränderungen besonders kritisch sind. Das muss per se nicht schlecht sein, aber zur Reformfreude wird es eher nicht beitragen. So löste zum Beispiel die Pensionsreform der Regierung Schüssel bei den Pensionisten große Sorgen aus und stieß auf massive Ablehnung.“ Und die damaligen Senioren waren von den Reformen noch gar nicht betroffen.

Dass Hajek weiß, wie man mit Medien umgeht, ist nicht verwunderlich: Er gehört zur neuen Generation an Meinungsforschern und Analytikern, die regelmäßig in den Medien zu allen möglichen politischen Themen befragt werden. Dem Vorwurf, dass er und seine Kollegen quasi als Instant-Experten für alles und jeden ohne entsprechendes Forschungsmaterial einfach nur drauflosreden, widerspricht Hajek: „Auch wenn wir gerade keine aktuelle Umfrage haben: Wir haben eine langjährige Erfahrung im Hinterkopf und fast immer Daten aus früheren Umfragen parat. Wenn ich Sie zur Haltung Österreichs zur Neutralität befrage, wissen Sie auch, dass die überwiegende Mehrheit dafür ist, ohne eine tagesaktuelle Umfrage bei der Hand zu haben.“ Und es gebe einen zweiten Grund: Journalisten brauchten offenbar jemanden, der eine Meinung vertritt, die sie sich nicht zu formulieren trauen.

Im konkreten Fall ist der 39-Jährige vorgeprescht – um des Effekts willen. „Natürlich kann und darf man deshalb älteren Mitbürgern das Wahlrecht nicht entziehen. Aber wir müssen in mancher Diskussion auch das Unmögliche denken, um das Mögliche zu erreichen. Sonst müssen wir uns von unseren Kindern zu Recht die Frage gefallen lassen: ,Warum habt ihr euch das nicht schon viel früher überlegt?‘“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.