Die Himmelsträume der Alpen-Hippies

Leichter als Luft
Leichter als Luft(c) ORF (Heinz Zeggl)
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In den Siebzigern lebte ORF-Mitarbeiter Michael Brauner in einer Kommune. Für die Dokumentation „Leichter als Luft“ besuchte er seine einstigen Weggefährten und spürt dem Lebensgefühl von damals nach.

Es war die Zeit, in der Ideale scheinbar alles durchdrangen: Freiheit, Liebe, Friede und Selbstverwirklichung fanden sich selbst in „psychedelischen Turnübungen". So praktiziert in einer Kommune in den Schweizer Bergen, in der Filmemacher Michael Brauner, langjähriger Fernost-Korrespondent des ORF, die freie Liebe zu leben und das Bewusstsein zu erweitern versuchte. Der „Schwere der Nachkriegszeit" stellte das Kollektiv Anfang der Siebziger den Traum vom eigenen Luftschiff entgegen. „Wir wollten, nicht mehr und nicht weniger, als die Schwerkraft aufheben", sagt Brauner am Anfang seiner Dokumentation „Leichter als Luft". Den (durchaus sentimentalen) Erinnerungen eines Insiders stehen die Lebenswege seiner einstigen Weggefährten gegenüber.

Der einstige „Häuptling" in Glockenhosen, Adam, erinnert sich an den Versuch, einen Zeppelin in Handarbeit zu fertigen. „Wie der Bau eines Tempels", sagt er, heute Multimillionär, derart nuschelnd, dass er untertitelt wird. In seinem Büro mit Blick über die Donau flimmert sein Fernsehsender Fashion TV von allen Wänden. Jüngst ist er mit einem Schiff voller Models nach Shanghai gesegelt. Die Götter haben sich gewandelt, von seiner Hippie-Vergangenheit ist nur ein meditatives Plakat geblieben. „In den Siebzigern hat man sich nicht träumen lassen, dass der sogenannte Kapitalismus alle Ideologien zunichte machen würde", kommentiert Brauner aus dem Off.

War es nicht vielmehr das Bequeme an der Bourgeoisie? Denn einen gewissen Grad an Bürgerlichkeit haben alle, am meisten Robert, der inzwischen Luxus-Lederartikel anfertigt. Das schrägste an ihm sind seine kurzen Hosen und die farblich auf die Krawatte abgestimmten Stutzen. Seine einstige Weggefährtin Kati sitzt in einer Altbau-Wohnung im ersten Bezirk und romantisiert die „wilde Jugend", während sie durch ein Erinnerungsbuch blättert. Die Super8-Szenen von den Kommunarden an der „Wachswickelmaschine", mit der sie die Rohre für das Luftschiff herstellten, machen nicht neidisch auf ihr Jungsein.

Die Träume sind gewichen, wohl nicht freiwillig. Eva, die nun in den USA lebt, sinniert mit tiefer Elisabeth-T.-Spira-Stimme in ihrem Mercedes von der „freien Liebe, die es nicht gibt" und weint vor Einsamkeit. Herman, der Künstler, ist todkrank. „Was ist das Leben anderes als eine Abfolge von Täuschungen und Enttäuschungen?" fragt er sich im Spitalbett.

Zur großen Täuschung wurde auch die Natur, mit der man sich doch verbunden fühlte. Ein Feuer vertrieb die Kommunarden aus der Schweizer Idylle, einen später angefertigten Ballon für Afrika, ein „Himmel-Hafen", hat ein Wüstensturm zerrissen. Ausgerechnet die Natur hat die Hippie-Kommune einst aufgelöst.

Allein der Schweizer Yves trauert seiner Vergangenheit nicht wehmütig nach. Der Jugendbewegung der Sechziger und Siebziger wirft er „Humorlosigkeit" vor. „Ich lache jetzt viel mehr als früher. Für mich ist das wichtig", sagt der Informatik-Professor. Das Korsett, das die Kommune einst für das Luftschiff plante, hat er für einen Hühnerstall verwendet. Ein symbolischer Akt der Emanzipation. Denn was für ihn blieb, ist auch die Erinnerung an allerlei Ängste: „Wir waren auf keinen Fall befreit."

„Leichter als Luft" in der Reihe „dok.film", 23:05 Uhr, ORF2

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