Schwalbennester: Der Kaviar des Ostens

Schwalben
SchwalbenAP
  • Drucken

Die Nester von Seglervögeln gelten in Asien als besondere Delikatesse und bescheren Malaysia einen ungeahnten wirtschaftlichen Höhenflug. Der Großteil wird nach China und Taiwan exportiert.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagt der Volksmund. In Malaysia gilt diese Weisheit nicht. Dort stehen die Segler für einen fulminanten Wirtschaftserfolg. Schwalbennester gelten in Asien nämlich als kulinarische Spezialität. Und weil die Nachfrage nach dem proteinhaltigen Produkt stetig steigt, schießen die Preise in die Höhe. Kein Wunder, dass Gastronomen sich die Hände reiben und die Unternehmen gar von einer „Schlüsselindustrie“ sprechen. Als die Regierung eine Liste wichtiger Wirtschaftsvorhaben veröffentlichte, stand die „Produktion“ von Schwalbennestern an oberster Stelle.

Tatsächlich ist der Handel mit den Nestern ein lukratives Geschäft. Der Präsident der Wirtschaftskammer Malaysias, Beh Heng Seong, schätzt das Volumen auf über eine Milliarde Ringgit pro Jahr – das sind umgerechnet 233 Mio. Euro. „90 Prozent der Produktion wird ins Ausland exportiert“, sagt der Ökonom. Die größten Abnehmer sind China und Taiwan – dort gibt es nämlich keine Segler, die Nester produzieren.

Die malaiischen Salangane sind dagegen in der Lage, mit ihrem Speichel Nester zu bauen. Die zähe Flüssigkeit gerinnt zu einer Gelatinemasse, welche gegart und dann zu einer Suppe verkocht wird. „Vom Geschmack her ist die Suppe eher neutral“, sagt der chinesische Koch Simon Hong Xie, der 1988 nach Österreich kam und seit 2007 ein angesagtes Lokal in Wien führt. Die gummige Konsistenz werde in Asien als angenehm empfunden. Nicht zuletzt wegen ihrer medizinischen Heilwirkung sind Schwalbennester ein beliebtes Nahrungsmittel. „Die Speise hat Kultstatus.“

Der Ursprung komme aus der chinesischen Medizin. Dort gilt die Suppe als förderlich für die Blutbildung. „Sie eignet sich daher besonders gut für Frauen nach der Schwangerschaft“, sagt der Koch, der selbst chinesische Medizin studiert hat.

Wohlgemerkt, die Speise hat ihren Preis: Ein Pfund kostet bis zu 200 US-Dollar. Vom „Kaviar des Ostens“ ist bereits die Rede. Die Bewohner Malaysias wittern unterdessen das große Geschäft. Überall im Land werden provisorische Holzhütten gezimmert, um den Schwalben einen Nistplatz zu gewähren. Die Brutstätten sind heiß und modrig, es riecht nach Guano, den Exkrementen von Vögeln. Auf morschen Balken balancieren die Farmer und kratzen die gelbliche Masse mit Spachteln aus den Verschlägen. Pro Tag schafft eine Gruppe etwa ein halbes Kilo – das entspricht 75 Nestern.

Gereinigt von Gräsern, Federn und Lehm, werden die Nester schließlich als Suppeneinlage verkauft. Und der Markt wächst – Schätzungen zufolge soll es bis zu 50.000 Nester im Land geben.

Gleichwohl ruft die Aufzucht von Schwalben kritische Stimmen hervor. Anwohner beschweren sich über Lärm und Exkremente. Die Künstlerin Rebecca Duckett-Wilkinson hat selbst Erfahrungen mit den „Plagegeistern“ gemacht. Ihr neu bezogenes Haus in einem Vorort von Georgetown auf der malaiischen Insel Penang musste sie erst von einem Kammerjäger ausräuchern lassen – ihr Vormieter hatte intensives „Nest-Farming“ betrieben. Immer wieder kehrten die Segler zu ihrer alten Brutstätte zurück. Erst nach einem halben Jahr wandten sie sich von der Behausung ab.

Ökosystem gerät ins Wanken

Besonders Schwalben und Segler verfügen über einen guten Orientierungssinn und finden immer wieder zu ihren angestammten Nistplätzen über hunderte Kilometer. Die Anwohner sind über die Rückkehr jedoch nicht gerade erfreut. „Wir sind umzingelt von Schwalbenhäusern, allein in meiner Umgebung gibt es drei. Es ist ein Albtraum“, beschwert sich Duckett-Wilkinson.

Darum hat sie eine Initiative gegründet, die sich gegen den weiteren Ausbau von Schwalbennestern zur Wehr setzt. Die Exkremente seien gesundheitsgefährdend, argumentieren die Aktivisten. Auch ökologische Bedenken mischen sich in den Protest: Die Bauern vor Ort berichten, dass die Vögel Insekten fressen, die für die Bestäubung der Pflanzen zuständig sind – das Ökosystem gerate so ins Wanken. Die rasant ansteigende Zahl künstlicher Nestbauten könnte schließlich für Ernteausfälle sorgen.

Keine Nistplätze in Wohngegend

Der Industrieverband ist derweil um einen Kompromiss bemüht. Er hat die Menschen aufgefordert, nur noch außerhalb von Wohnsiedlungen Nistplätze einzurichten. „Wenn man unseren Empfehlungen nachkommt, gibt es keine Beeinträchtigungen mehr“, behauptet Verbandschef Beh. Doch angesichts der steigenden Weltmarktpreise für die Spezialität wird wohl kaum damit zu rechnen sein, dass das „Nest-Farming“ abnimmt.

Auf einen Blick

Salanganen, welche die bei asiatischen Feinschmeckern begehrten Nester als Einlage für „Schwalbennestersuppe“ liefern, ähneln zwar dem Aussehen nach der Schwalbe, sind aber nicht mit dem mitteleuropäischen Vogel (s. Bild) verwandt. Salanganen zählen zur Familie der Segler. Nester der Weißnestsalanganen bestehen aus zähem Speichel, dem Nestzement, der eine transparente und gelatinöse Masse bildet. Schwarznestsalanganen benutzen neben Speichel auch Federn zum Nestbau.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.