SPD: Gabriel zum neuen Vorsitzenden gewählt

Sigmar Gabriel, der neue SPD-Chef
Sigmar Gabriel, der neue SPD-Chef(c) REUTERS (THOMAS PETER)
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Sigmar Gabriel wurde mit 94 Prozent zum neuen Parteivorsitzenden der SPD gewählt. Ex-Chef Müntefering ermuntert seine Genossen zum Neuanfang. Die SPD-Basis macht ihren Unmut Luft.

Der ehemalige deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel ist neuer Parteivorsitzender der SPD. Die Delegierten des Bundesparteitages in Dresden wählten den 50-jährigen Niedersachsen am Freitagabend mit 472 von 501 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Franz Müntefering. Das entspricht einer Zustimmung von rund 94 Prozent.Gabriel rief zu einem Neuanfang auf. "Die SPD muss wieder eine Politikwerkstatt für den gesellschaftlichen Fortschritt werden", hatte er in seiner Bewerbungsrede gesagt.

Der scheidende SPD-Chef Müntefering hat seine Partei aufgerufen, nicht zu verzagen und geschlossen mit neuer Führung einen Neuanfang zu suchen. Die Dimension der Niederlage bei der Bundestagswahl sei erschreckend, sagte Müntefering zum Beginn des Parteitages.

"Offene Aussprache, Orientierung, Neuaufbau - das braucht seine Zeit." Die SPD ziehe sich aber "nicht als Selbstfindungsgruppe ins Jammertal zurück". Müntefering, der praktisch zum Rückzug gezwungen worden war, vermied es, nochmals die "Rente mit 67" zu rechtfertigen. Die Parteibasis macht die "Rente mit 67" für den Vertrauensverlust der SPD mitverantwortlich.

In seiner einstündigen Rede richtete der 69-Jährige den Blick nach vorne und betonte den Kampfeswillen seiner Partei. Eigene Fehler erwähnte der Parteichef nicht, dessen Rede zum Abschluss drei Minuten Applaus erhielt. "Wir sind kampffähig und kampfbereit, wir kommen wieder", sagte Müntefering. "Linke Volkspartei müssen wir bleiben, sonst sinken wir dauerhaft ab." Unter anhaltendem Applaus der Delegierten dankte er ausdrücklich dem gescheiterten Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier für seinen Einsatz. Dieser habe "keine windigen Steuersenkungen versprochen" und Arbeit in den Mittelpunkt seines Deutschlandplans gestellt: "Du musst kein Wort zurücknehmen."

SPD-Ex-Chef nimmt Fehler der Wahlniederlage auf sich
SPD-Ex-Chef nimmt Fehler der Wahlniederlage auf sich(c) EPA (dpa/Hannibal Hanschke)

Zu den Ursachen der Wahlniederlage sagte Müntefering, dass die SPD für viele Wähler nicht interessant genug gewesen sei. Die Niederlage sei teils selbst verschuldet. Die Parteiflügel verselbstständigten sich - das koste Kraft und Geschlossenheit. "Kein Wunder allerdings, dass die Wählerinnen und Wähler das alles - vor allem aber uns selbst - nicht recht verstehen." Er forderte: "Lasst diese Art von Flügelei."

"Populismus von FDP und Linkspartei"

Die SPD habe noch keine Antwort auf das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit und der Notwendigkeit gesellschaftlichen Wandels gegeben. Eine Mehrheit der Wähler habe ihre Stimme freiwillig denen gegeben, "die mit dem Finanzkapitalismus locker umgehen und die den ganzen Vorgang, naja, für einen Betriebsunfall halten, aber nicht für eine Mischung aus Zockerei und Gangstertum". Die SPD aber wolle diesen Kapitalismus zähmen.

Eindringlich warnte Müntefering vor einer Zersplitterung der Parteienlandschaft. Der "Populismus von FDP und Linkspartei" sei auf unterschiedlichen Flügeln Ausdruck eines Hangs zum Partikularen. Er rief dazu auf, die Demokratie brauche neue Impulse, damit sie nicht im Formalen versinke: "Die Wahrheit ist, es steht nicht so gut um die Demokratie."

Unmut der Basis

In einer gut fünfstündigen Debatte mit 66 Wortmeldungen wurde Kritik insbesondere an der Reform-"Agenda 2010" des damaligen SPD- Kanzlers Gerhard Schröder aus dem Jahr 2003 laut. Mit den Regelungen für Langzeit-Arbeitslose ("Hartz-IV") sei gegen die Solidarität verstoßen worden. Die Partei habe sich zu sehr "dem Mainstream des Marktradikalismus" angepasst. Es sei zu viel abgenickt worden.

Die Basis ließ ihrem Unmut freien Lauf. Der Tenor war fast immer der gleiche: "Die SPD ist für die Wähler unglaubwürdig geworden." Fehler wurden beklagt. Ein Delegierter sagte, die SPD müsse Kraft und Mut finden, sich inhaltlich zu korrigieren. Ein anderer kritisierte, die Debattenkultur zur Floskel gekommen. Die frühere DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer warf ihrer Partei vor, sie habe sich zu weit von den Arbeitnehmern entfernt.

Unterdessen sackte die SPD in der Wählergunst weiter ab. Nur noch 21 Prozent würden sich für die Sozialdemokraten entscheiden, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, teilte die ARD mit. Das ist der niedrigsten Wert, der beim ARD-Deutschlandtrend für die SPD seit Erhebung der Umfrage im Jahr 1997 gemessen wurde. 52 Prozent der Befragten sehen nun die Chance für die SPD, sich neu zu profilieren. 38 Prozent sehen demnach allerdings die Gefahr, dass die Partei weiter an Wählerzuspruch verliert.

(Ag.)

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