ÖVP-Behindertensprecher: "Technik ist mein Leben"

Franz-Joseph Huainigg
Franz-Joseph Huainigg(c) Clemens Fabry
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Sonntagsspaziergang: Mit ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg im Technischen Museum: Wie er gelernt hat, auf die Technik zu vertrauen. Und wie er das Leben anderer Behinderter verbessern will.

Ein dreijähriger Knirps steht da und staunt mit offenem Mund: ein Rollstuhl mit Beatmungsgerät und vielen Schläuchen – genau das ist es, was man sich von einem Ausflug ins Technische Museum erwartet. Nur: Dieser Rollstuhl ist kein Ausstellungsstück, sein Benutzer gehört selbst zu den Besuchern.

Franz-Joseph Huainigg, Behindertensprecher der ÖVP und Nachfolger von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl als Nationalratsabgeordneter, hat bewusst das Technische Museum als Ort für den Sonntagsspaziergang gewählt. „Technik ist mein Leben“, sagt er. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Der gebürtige Kärntner, der seit einer Impfung im Kleinkindalter gelähmt ist, hatte vor drei Jahren eine schwere gesundheitliche Krise, die er nur knapp überlebte.

Seit damals ist er auf ein Beatmungsgerät angewiesen. „Am Anfang hatte ich kein Vertrauen in das Gerät. Ich habe mich nicht getraut einzuschlafen.“ Die totale Abhängigkeit von der Technik war eine neue Erfahrung. Inzwischen hat er sich an die Beatmungsmaschine gewöhnt und weiß die hohe Lebensqualität zu schätzen. Und die ist beeindruckend, wenn man die technische Entwicklung berücksichtigt: Vor 30 Jahren wäre die einzige Möglichkeit ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus gewesen. In der „Eisernen Lunge“, einer Röhre, die mit Unterdruck arbeitet und bei der nur der Kopf herausschaut.

Das Technische Museum beschäftigt sich übrigens gerade mit dem Thema: Die Sonderausstellung „body.check“ zeigt die Möglichkeiten der modernen Medizintechnik auf.


Selbstbestimmung statt Mitleid. Doch was für ein Leben ist das, wenn man wie Huainigg nicht mehr selbstständig atmen kann, den Elektrorollstuhl nicht mehr selbst bedienen und aufgrund einer Sehschwäche auch nicht mehr im Internet surfen kann? Offensichtlich ein sehr befriedigendes, wenn man sieht, welche Lebensfreude und welchen Optimismus Huainigg versprüht.

Die Schwierigkeiten im Alltagsleben lassen sich meistern: Eine persönliche Assistentin kümmert sich um ihn. Und dieses Konzept der persönlichen Assistenz steht auch im Mittelpunkt seiner politischen Bemühungen: Noch mehr Behinderte als bisher sollen die Möglichkeiten erhalten, mit dieser Hilfe, die vom Bundessozialamt bezahlt wird, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Derzeit gebe es je nach Bundesland eine unterschiedliche Vorgangsweise. Wien und Oberösterreich seien vorbildhaft, andere Bundesländer hätten noch Aufholbedarf.

Mitleid und Almosen hält Huainigg dagegen für den falschen Ansatz in der Behindertenpolitik. Deshalb wehrt er sich auch seit Jahren gegen die ORF-Sendung „Licht ins Dunkel“, in der jährlich zu Weihnachten Spenden gesammelt werden. Diese ist für ihn das typische Beispiel für einen verfehlten Zugang zum Thema Behinderte, da nicht nur mit der Mitleidsmasche gearbeitet wird, sondern Behinderte auch zum Objekt degradiert werden – ohne Möglichkeit, selbst Einfluss auf die Sendungsgestaltung zu nehmen.


Pflegefonds statt Pensionserhöhung. Wie soll dann das Geld für wachsende Aufwendungen im Pflegebereich aufgebracht werden? Huainigg lässt mit einem neuen Vorschlag aufhorchen: Er will weder eine Pflegeversicherung – weil diese die Lohnnebenkosten weiter erhöht – noch eine Finanzierung über Steuern, sondern setzt auf die Solidarität unter den Pensionisten. Der ÖVP-Behindertensprecher plädiert für die Einführung eines Pflegefonds, der ein Grundkapital dadurch erhält, dass die Pensionserhöhung für ein Jahr komplett ausfällt. Das brächte 300 Millionen Euro. In den Folgejahren könne dann ein Teil der Pensionserhöhung – nämlich rund zehn Prozent – in diesen Pflegefonds fließen. Von dieser Umleitung der Gelder sollen lediglich die Mindestpensionen ausgenommen sein.

Eine derartige Belastung der Pensionisten sei durchaus vertretbar, sagt Huainigg. 90 Prozent der Pflegegeldbezieher sind älter als 60 Jahre. „Die Menschen sind durchaus bereit, Solidarität zu leisten“, glaubt er. Finanzieren könne man mit dem Geld persönliche Assistenz, einen Ausbau der mobilen Pflegedienste und neue Wohnformen für Behinderte und Pflegebedürftige. Und was sagt der ÖVP-Seniorenbund dazu? „Andreas Khol ist nicht begeistert“, weiß Huainigg. Da gebe es noch Diskussionsbedarf. Aber: „Wer diesen Vorschlag ablehnt, möge einen besseren bringen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2010)

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