Färöer-Heiligtum: Zipfelmütze auf Reisen

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Landskrona-Goalie Jens Martin Knudsen besuchte die Euro. Als Co-Trainer trifft er in der WM-Qualifikation wieder auf seinen Lieblingsgegner.

Wien (red.). Wenn eine Zipfelmütze auf Reisen geht, hat ihr Besitzer viel zu erzählen – vor allem wenn er Jens Martin Knudsen heißt und die berühmteste jemals von einem Fußballer getragene Kopfbedeckung sein Eigen nennt. Der mittlerweile 41-Jährige trug die weiße Wollhaube, die noch bis 7. September im Wiener Leopold-Museum im Rahmen der Ausstellung „Moderne Kunst der Färöer Inseln“ zu sehen ist, am 12. September 1990 in der schwedischen Stadt Landskrona. Nicht zuletzt dank Knudsens Paraden verlor Österreich gegen die Kicker der Färöer in deren allererstem Bewerbsspiel 0:1 und musste damit die wohl größte Blamage in der ÖFB-Geschichte einstecken.

Held statt Trottel

Knudsen und seine Kollegen hingegen stiegen bei den 48.000 Bewohnern der Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den Britischen Inseln, Norwegen und Island zu Volkshelden auf, und diesen Status genießen sie noch heute. Die Bilder des Amateur-Keepers mit der Zipfelmütze, der damals Spielern wie Toni Polster oder Andreas Herzog die Stirn bot, gingen um die Welt und galten als Sinnbild für die historische Sensation. Dabei hätte Knudsen die Haube in dieser Partie fast nicht getragen, wie er in Wien verriet. „Weil ich mir gedacht habe, ich könnte zum größten Trottel Europas werden, wenn ich mit dieser Mütze den Ball sechs-, siebenmal aus dem Tor fischen muss.“

Schließlich wollte der Färinger aber doch nicht auf sein Markenzeichen verzichten, das er schon von Kindesbeinen an zwischen den Pfosten trug. „Als 13-Jähriger hatte ich einen Schädelbasisbruch, danach wollte ich unbedingt wieder Fußball spielen. Aber der Arzt hat gesagt, das kann ich nur noch mit einem Helm, und weil der nicht erlaubt ist, habe ich eben die Zipfelmütze genommen, damit sich meine Mutter weniger Sorgen macht“, erzählt Knudsen.

Rund drei Jahre nach Landskrona verzichtete er für einige Zeit auf die Haube – aus Rücksichtnahme auf seine Teamkameraden, weil die Mütze vor jedem Länderspiel im Mittelpunkt gestanden ist und das Sportliche schon fast verdrängte. Erst ab Ende der 90er-Jahre war das Utensil, das Knudsen „um kein Geld der Welt“ verkaufen würde, wieder auf den Fußballplätzen zu sehen, eine derart stolze Stunde wie in der südschwedischen Stadt war ihm aber nicht mehr vergönnt.

11. Oktober, Toftir

Wie es damals zu der Sensation hatte kommen können, darüber rätselt Knudsen noch immer: „Wir hatten uns das Match eigentlich in Fünf-Minuten-Perioden eingeteilt, und wären froh über jeden dieser Abschnitte gewesen, den wir ohne Gegentor überstanden hätten.“

Als statt der tristen Vorahnungen die kühnsten Träume wahr wurden, brachen auf den ansonsten beschaulichen Färöer alle Dämme. „Damals gab es ja keine Handys und wir hatten keine Ahnung, was daheim los war. Aber als wir dann zurückgekommen sind, war es einfach nur unglaublich, was sich da abgespielt hat. So was hat es auf den Färöer davor und danach nicht mehr gegeben.“ Am 11. Oktober könnte das nächste Kapitel des Heldenepos geschrieben werden, wenn die ÖFB-Auswahl im Rahmen der WM-Qualifikation in Toftir gegen die Färöer antritt und Knudsen wieder mit dabei ist. Der Besitzer der Uefa-A-Lizenz fungiert nämlich seit vergangenem Oktober als Co-Trainer von Teamchef Jogvan Martin Olsen.

Knudsen hat die EM-Auftritte der Österreicher genau unter die Lupe genommen. „Sie waren überraschend gut und haben sehr offensiv gespielt. Ich habe sie nicht so stark erwartet“, lautet die Einschätzung Knudsens. Ein neues Landskrona hält er dennoch nicht für ausgeschlossen. „Wenn alles passt, können wir Österreich sicher Paroli bieten.“ Vor der weißen Zipfelmütze müssen sich die ÖFB-Kicker aber nicht mehr fürchten – die hängte Knudsen im vergangenen Herbst gemeinsam mit seinen Fußball-Schuhen endgültig an den Nagel.

ZUR PERSON

Jens Martin Knudsen (* 11. 6. 1967, Saltangara/Färöer) ist der legendäre Tormann mit der Zipfelmütze, der wesentlichen Anteil am 1:0-Sieg der Färöer über Österreich am 12. September 1990 in Landskrona hatte. Es sollte Knudsens größter Erfolg bleiben, er beendete im vergangenen Herbst seine Karriere. Nun ist als er Co-Trainer der Färöer tätig, in der WM-Quali trifft er erneut auf das ÖFB-Team.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2008)

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