Brenner: Zukunftsprojekt oder Milliardenloch?

(c) Fabry Clemens
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Der Brennerbasistunnel sorgt zurzeit für einen Koalitionsstreit. Dabei sind sich ÖVP und SPÖ über das Milliardenprojekt eigentlich einig. Kritik an dem Tunnel gibt es von Verkehrsexperten und Transitgegnern.

Wien. Einen Tag nachdem der Streit zwischen rotem Infrastruktur- und schwarzem Finanzministerium über die Finanzierung des Brennerbasistunnels eskaliert war, waren die beiden verantwortlichen Minister am Dienstag um Beruhigung bemüht. Laut Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sei der derzeitige Bauplan im Budget „vollinhaltlich eingestellt“. Und auch Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) zeigte sich zuversichtlich, dass die noch ausstehenden Unterschriften unter den Zuschussvertrag für die ÖBB in den kommenden Tagen erfolgen würden. Dennoch rückte der Streit den umstrittenen Tunnel wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit. „Die Presse“ hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1 Wie wahrscheinlich ist der Bau des Brennerbasistunnels?

Zurzeit spricht alles dafür, dass der Tunnel gebaut wird. Denn trotz des jüngsten Streits, sind sowohl ÖVP als auch SPÖ für den Bau. So wurde vom Ministerrat Anfang Februar auch der ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2011 bis 2016 beschlossen, der sämtliche Sondierungsarbeiten für den Brennerbasistunnel bereits enthält. Die Zulaufstrecke auf österreichischer Seite (Unterinntal) wird bereits seit Längerem ausgebaut und soll 2012 in Betrieb gehen.

Auch auf italienischer Seite gibt es inzwischen fixe Zusagen für die Finanzierung des Tunnels. So beschloss das interministerielle Komitee für Wirtschaftsplanung (Cipe) Mitte November 2010 die Finanzierung des Südtiroler Anteils an dem Tunnel sowie der Zulaufstrecken auf italienischer Seite.

Keine konkreten Pläne gibt es bisher für den Ausbau der Zulaufstrecken in Bayern. Die Deutschen dürften auf den endgültigen Baubeginn des Hauptstollens warten.

2 Ist der Brennerbasistunnel überhaupt sinnvoll?

Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Laut den Politikern in Österreich, Italien, Deutschland und der EU schon. Nur durch einen Ausbau der Infrastruktur würde es zu einer Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene kommen. Die Politik stützt sich dabei auf Verkehrsprognosen, laut denen die derzeitige Brennerstrecke in rund 20Jahren nicht mehr ausreichen würde.

Verkehrsexperten und auch Tiroler Transitgegner sind indes gegen den Tunnel. Sie meinen, für eine Verlagerung brauche es nicht eine besser ausgebaute Infrastruktur, sondern regulatorische Maßnahmen wie höhere Lkw-Mauten und Fahrverbote. Ohne diese würden auch nach dem Bau des Tunnels die Güter auf der Straße unterwegs sein. Sobald es diese Maßnahmen gebe, würden aber rund 30 Prozent des Verkehrs in Richtung Schweiz abwandern. Diese Lkw würden heute über den Brenner einen Umweg fahren, nur um der Schweizer Lkw-Maut zu entgehen.

3 Wie viel wird der Tunnel schlussendlich kosten?

Die aktuelle Prognose (per 1.1.2010) der Baukosten geht von acht Mrd. Euro aus (exklusive Inflation und Finanzierung). Genau wird man das erst nach Fertigstellung des Projekts sagen können. Für die Preissteigerungen während der Bauzeit kann mit weiteren zwei Mrd. Euro gerechnet werden. Die Finanzierung dürfte abermals mit mehreren Mrd. zu Buche schlagen. Bahnexperten schätzten die Gesamtkosten des Projekts daher bereits vor Jahren auf 15 Mrd. Euro.

Sofern es zu keinen weiteren Kostensteigerungen kommt: Denn Anfang der Nullerjahre wurden die Baukosten noch auf 4,5 Mrd. Euro geschätzt, 2006 waren es sechs Mrd., heute eben acht Mrd. Euro.

4 Wie und von wem wird das Projekt finanziert?


Laut politischer Übereinkunft soll je ein Drittel von Österreich, Italien und der EU gezahlt werden. Die Union hat jedoch nur knapp 800Mio. bis 2015 fix zugesagt. Über den Rest wird erst im Rahmen der nächsten Finanzperiode Mitte des Jahrzehnts entschieden.

Das Infrastrukturministerium rechnet vorerst mit einem „Österreich-Anteil“ von fünf Mrd. Euro. Dieser soll von den ÖBB auf Pump finanziert werden. Die Rückzahlung erfolgt durch den Steuerzahler. Ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag soll in Summe durch die erhöhte Lkw-Maut am Brenner eingenommen werden.

5 Wie weit sind die Arbeiten am Brennerbasistunnel?


Zwei Sondierstollen sind zurzeit in Arbeit. Einer in Italien mit inzwischen 13,5 km Länge und einer in Österreich mit 2,2 km Länge.

6 Wann soll das Tunnelprojekt fertiggestellt werden?

Laut dem jüngsten Plan, der im Vorjahr von der Errichtungsgesellschaft entwickelt worden ist, soll der Tunnel 2025 fertig werden. Der Fertigstellungstermin wurde aus Kostengründen dadurch um drei Jahre nach hinten verschoben. Allerdings gab es bereits zuvor mehrmals Verschiebungen. Ursprünglich sollte der Tunnel bereits 2015 fertig werden – ein Jahr vor dem nun geplanten Baubeginn des Hauptstollens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2011)

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