Chinesische Kampfjets vor Landung in Südamerika

J-10-Jets einer chinesischen Kunstfliegereinheit
J-10-Jets einer chinesischen KunstfliegereinheitVitaly V. Kuzmin
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Das finanzschwache Argentinien wendet sich auf der Suche nach günstigen Quellen zur Modernisierung der maroden Luftwaffe an Peking. In Europa fand Buenos Aires dafür keine Partner - auch, weil London querschießt.

Aus dem seit längerer Zeit wieder einmal am Rande des Staatsbankrotts wandelnden, nichtsdestotrotz wunderschönen 40-Millionen-Land Argentinien kommen interessante aeronautische Neuigkeiten: Argentiniens Präsidentin Christina Fernández de Kirchner (61) hat bei ihrem Staatsbesuch in der Volksrepublik China jüngst mit der dortigen Regierung vereinbart, eine bilaterale Arbeitsgruppe einzusetzen, die die mögliche Lieferung moderner chinesischer Kampfflugzeuge für die maroden Luftstreitkräfte Argentiniens evaluieren soll. Es wäre das erste Mal, dass chinesische Kampfjets in Lateinamerika betrieben würden; das könnte eine, sagen wir, "Anpassung" der Kräfteverhältnisse in der Region auslösen.

Konkret soll es um Jets der Modelle J-10 und/oder FC-1 des Herstellers Chengdu aus der zentralchinesischen Provinz Sichuan gehen. Beide sind durchaus hochentwickelte Kampfjets, die in China seit 2003 bzw. 2007 gefertigt werden und sich schon äußerlich an westliche Modelle wie (im Fall der J-10) die Saab Gripen und Dassault Rafale bzw. im Fall der FC-1 an ältere französische Mirages anlehnen.

Jäger, Drache und Donner

Die Namensgebung ist beidesfalls ein wenig kompliziert: Die J-10 nämlich firmiert im Chinesischen genauer gesagt einfach als "Jian-10", wobei Jian "Jäger" heißt", während im Westen der Zusatzname "Vigorous Dragon" (Energischer Drache) in Umlauf ist. Die FC-1 wiederum heißt "Xiaolong" (Wilder Drache); dieses für die relativ schlichte und günstige Schiene produzierte Flugzeug ist eine Koproduktion mit Pakistan, wo es JF-17 "Thunder" heißt. Pakistan ist bisher auch der eigentliche Hauptnutzer der Thunder, während die Chinesen darin bzw. in der FC-1 nur eine Exportware sehen (siehe diese Geschichte).

J-10-Einheit in China
J-10-Einheit in Chinamilitary-today.com
Chinesisch/pakistanische FC-1/JF-17
Chinesisch/pakistanische FC-1/JF-17airliners.net

Buenos Aires und Peking sollen vorerst, so heißt es, über 14 Maschinen für die argentinische Luftwaffe (Fuerza Aérea Argentina, FAA) sprechen, vorbehaltlich weiterer Jets, sowie über weiteres militärisches Gerät.

Tatsächlich hätte Argentinien vom militärischen und technischen Standpunkt aus gesehen eine Auffrischung seiner Luftwaffe bitter nötig: Die einst ziemlich große FAA hat nämlich ihre gewaltigen Verluste im Falklandkrieg gegen die Briten von 1982 (etwa 42 Düsenkampfflieger und 25 Propeller-Erdkampfflugzeuge; Transporter, Aufklärer und anderes Fluggerät nicht eingerechnet) bis heute nicht einmal in Ansätzen ersetzt und ist großteils auch auf dem technischen Niveau von einst verharrt, das schon seinerzeit nicht mehr das neueste gewesen war.

Lokales Leichtgewicht

Daher ist die FAA heute im Vergleich mit den meisten anderen großen Staaten Lateinamerikas und den meisten Nachbarn Argentiniens ziemlich schwach und veraltet, insbesondere bei Kampfflugzeugen im engeren Sinne: Laut "World Air Forces 2015" von Flightglobal waren zuletzt 22 Jagdbomber vom US-Typ Lockheed A4 "Skyhawk", sechs Dassault Mirage IIIEA Abfangjäger, vier Jagdbomber Dassault Mirage 5 sowie vier israelische Nachbauten der Mirage 5 namens "Dagger" bzw. "Nesher" einsatzfähig, also 36 Stück. Die Marine bringt zusätzlich elf Dassault Super Étendard Angriffsjets hoch.

Die 31 im Inland gefertigten Propeller-Erdkampfflugzeuge "Pucará" der FAA können wir vernachlässigen, da sie primär zur Bekämpfung von leicht bewaffneten, speziell irregulären Verbänden (z. B. von Guerillamilizen) gebaut wurden, in einem modernen bzw. konventionellen Gefechtsumfeld von mäßigem Wert sind und für Luftraumüberwachung und Luftkampf (abgesehen gegen Hubschrauber) nicht taugen.

Die Grundvarianten der erwähnten Jet-Modelle wiederum waren in ihren Ursprungsländern seinerzeit ab Mitte der 1950er (Skyhawk, Mirage III), Ende der 1960er (Mirage 5) und Anfang/Mitte der 1970er (Nesher/Dagger/Super Étendard) eingeführt worden. Immerhin hat man mit US-Unterstützung die übrigen Skyhawks Mitte der 1990er deutlich kampfwertgesteigert, etwa mit Teilen der F-16, darum heißen sie heute A4AR "Fightinghawk".

Argentinische
Argentinische "Fightinghawk"airliners.net/Chris Lofting
Mirage IIIEA
Mirage IIIEAairliners.net

Dennoch schneiden FAA und Marineflieger insgesamt im Vergleich wie erwähnt regional eher unterdurchschnittlich ab: Der kleinere Nachbar Chile flog zuletzt 35 deutlich kampfstärkere und modernere F-16 "Fighting Falcon" (General Dynamics/Lockheed Marin) zuzüglich neun älterer Jäger/Jagdbomber Northrop F-5 "Tiger" (das Modell datiert in die 1960er). Brasilien besitzt im Kern an Jets aktiv 43 F-5 und 47 Erdkampfjets "AMX" mit begrenzter Luft-Luft-Fähigkeit, die gemeinsam mit Italien entwickelt und in den 1980ern eingeführt worden waren.

Politischer Unwille, leere Kassen

Selbst das ärmere Peru verfügte laut Flightglobal zuletzt über eine relativ kräftige Luftwaffe mit 19 russischen MiG-29 Mehrzweckkampfjets (Typ-Einführung in den 1980ern), sieben Mirage 2000 (ebenfalls 1980er) und 18 schweren Suchoi Su-25 "Frogfoot"-Schlachtflugzeugen (1980er) zuzüglich rund 20 leichter Cessna A-37 "Dragonfly"-Erdkampfflugzeugen aus der Vietnamkriegsära.

"Pucará" mit allerhand ZuladungFrancisco Infante

Die FAA hat sich ihre missliche Lage natürlich nicht selbst ausgesucht: Nach dem Ende der argentinischen Militärherrschaft im Dezember 1983 war zunächst eine Aufrüstung für die demokratischen Folgeregierungen schon politisch sehr lange unerwünscht, dazu kamen schwere Finanzprobleme und der Zusammenbruch der Wirtschaft inklusive Staatsbankrotts Anfang der 2000er-Jahre als weitere Hindernisse.

Bisweilen wurde und wird eine militärische Modernisierung auch von außen behindert: Als sich Buenos Aires etwa im Vorjahr offen für die hochmodernen schwedischen Saab Gripen interessierte, stellte Großbritannien - der Kriegsgegner von 1982, der die Falklandinseln/Malvinas weit vor Argentiniens Küste hält - klar, dass man dagegen ein Veto einlegen würde; schließlich ist ein beträchtlicher Teil der Gripen-Teile britischer Herkunft. Politische Erwägungen mit Rücksicht auf London (und die USA) haben bisher auch Lieferungen aus Israel ("Kfir"-Jagdbomber) und Spanien (gebrauchte französische Mirage F-1) vereitelt.

Strategisches Ziel: die Malvinas/Falklandinseln

Bleiben Russland und China als Quellen. Russland könnte schon wegen der Krise mit dem Westen Argentinien justament Flugzeuge verkaufen wollen oder sie leasen lassen. Allerdings gibt es, wie Militärexperten bemerken, auch technische Probleme: Eine mögliche Variante, die MiG-29, hat angesichts des für Argentinien ganz klar wichtigsten strategischen Operationsgebietes - die Falklandinseln - nämlich eine nicht sehr befriedigende Reichweite. Die Inseln liegen 600 bis 700 km vor Argentinien, das reizt die Reichweite der MiG-29 ziemlich aus, vor allem senkt es die Operationszeit vor Ort kräftig. Für Maschinen der Serie Suchoi Su-30 wiederum ist diese Entfernung zwar überhaupt kein Problem, aber sie sind nicht gerade billig.

Interessanterweise waren vor einigen Wochen Gerüchte aufgetaucht, Argentinien könnte ältere russische Schwenkflügelbomber Suchoi Su-24 "Fencer" (eingeführt in den 1970ern) kaufen oder leasen. Das dürfte aber keine  Zukunft haben, denn die Fencer ist nicht eben einfach zu betreiben, relativ teuer im Unterhalt und weitgehend auf eine Luft-Boden-Rolle fixiert, statt ein weit nützlicheres Mehrzweckflugzeug zu sein.

Russische Suchoi Su-24M
Russische Suchoi Su-24Mjetphotos.net/Alexander Mischin

Bleibt China. Tatsächlich haben argentinische Offizielle schon seit einigen Jahren Interesse bekundet, das pakistanisch-chinesische Produkt FC-1 bzw. JF-17 in Argentinien selbst ganz oder teilweise zu fertigen. Diese Lösung wäre günstig, einfach und leistungsfähig, die Flieger könnten vor allem ebenfalls moderne Anti-Schiff-Raketen tragen. Allerdings wurde just der Chefentwickler dieses Flugzeugs, Yang Wei, Anfang Jänner mit den Worten zitiert, dass sein "Baby" mit anderen Jets auf dem Markt kaum mithalten könne. Im Übrigen heißt es aus China, die FC-1 sei primär für Drittweltländer geeignet, wenn diese sich keiner besonders modernen Luftwaffe gegenübersehen würden. Auf den Falklandinseln aber hat die Royal Air Force zwar nicht viele (normalerweise vier), aber hochmoderne und weit überlegene Eurofighter Typhoon stationiert, von Luftabwehrraketen abgesehen. Und besonders berauschend angesichts des Falkland-Szenarios ist der Kampfradius der FC-1/JF-17 auch nicht.

Jian-10 versus Eurofigher Typhoon

Zuletzt kam in Peking daher auch die leistungsstärkere Jian-10 angeblich erstmals zur Sprache: Die könnte für argentinische Bedürfnisse weit genug entfernt operieren (besser noch mit Zusatztanks). Seitens des Militärfachmagazins Jane's Defence heißt es, sie würde die Fähigkeiten der FAA auf bemerkenswerte Weise steigern. In diversen Vergleichen schneidet die Jian etwa gegenüber der Typhoon auch gar nicht so medioker ab. Jedenfalls seien, auch wenn die Typhoon eindeutig in den wichtigsten Parametern voran liegt, doch keine regelrechten Welten dazwischen, heißt es - jedenfalls auf theoretischer Basis, weil so richtig getestet hat man die beiden gegeneinander noch nicht. Siehe hier einen Vergleich.

Argentinien wäre jedenfalls wie erwähnt der erste Kampfjet-Kunde Chinas in Lateinamerika. Dort sind in einigen Luftwaffen bisher nur leichte Düsentrainer und Propellertransportflugzeuge aus China in Betrieb, etwa in Bolivien, Guyana und Venezuela.

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