Libyen: Geschäfte mit Gaddafi

Gaddafi
Gaddafi(c) EPA (SHAWN THEW)
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Aus dem Schurkenstaat ist ein begehrter Investor geworden. Heuer werden 22 Milliarden Euro für Wohnbau- und Infrastrukturprojekte ausgegeben. Auch viele österreichische Firmen werben um Gaddafis Gunst.

Ein gigantischer Bauboom hat die libysche Hauptstadt Tripolis erfasst. Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi will sein Land modernisieren. Heuer werden 22 Milliarden Euro für Wohnbau- und Infrastrukturprojekte ausgegeben. Auf der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum von Tripolis sind die vielen Baustellen nicht zu übersehen.

Dank der Öleinnahmen ist Libyen das reichste Land Afrikas. Die Finanzkrise ist hier nicht angekommen. „Denn das libysche Banken- und Finanzsystem ist international kaum vernetzt“, sagt David Bachmann, Österreichs Handelsdelegierter in Tripolis, zur „Presse“. Heuer soll die libysche Wirtschaft um acht Prozent zulegen. Immer mehr österreichische Firmen wie OMV, Strabag und die Asamer-Gruppe haben den Wüstenstaat als Wachstumsmarkt entdeckt. Sogar die Bawag ist in Tripolis mit einer Filiale vertreten.

Im Vorjahr kletterten Österreichs Exporte um 25,9 Prozent auf 90 Millionen Euro und erreichten damit einen historischen Höchststand. „Auch heuer werden wir ein Wachstum von mindestens 20 Prozent haben“, freut sich Bachmann. Dabei fließt deutlich mehr österreichisches Geld nach Libyen. 2008 kaufte Österreich für 448 Millionen Euro Erdöl. „Libyen gehört zu unseren fünf größten Öllieferanten“, so der Handelsdelegierte.


Kein Schurkenstaat mehr. Die AUA fliegt fünfmal in der Woche nach Tripolis. Um die Geschäfte weiter anzukurbeln, wird Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im November mit Firmen nach Libyen reisen. Normalerweise werden solche Delegationen von einem Minister angeführt. Obwohl es gegen Gaddafis Regime längst keine Sanktionen mehr gibt, machen Österreichs Spitzenpolitiker um den früheren „Schurkenstaat“ noch immer einen Bogen.

Wer mit Gaddafi und Co. Geschäfte macht, sollte aufpassen. Seit Monaten werden zwei Schweizer Geschäftsleute in Tripolis festgehalten. Ihnen werden Verstöße gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen vorgeworfen. Dabei handelt es sich angeblich um eine Retourkutsche, weil Gaddafis Sohn Hannibal in einem Genfer Hotel inhaftiert wurde. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Der Revolutionsführer nennt die Schweiz ein „Verbrecherkartell“ und will bei der UNO die Auflösung der Alpenrepublik erreichen.

„Libyen ist für ausländische Firmen nicht immer ein einfaches Pflaster“, meint Bachmann. Erforderlich seien ein langer Atem und Geduld. Der Großteil der Wirtschaft wird vom Staat gelenkt. Zwar hat sich die Regierung in Tripolis die Förderung von privaten Unternehmen auf die Fahnen geheftet. „Doch die Reformen erfolgen nicht immer in dem Tempo, das man sich vorgenommen hat“, so der Handelsdelegierte.


Staatsfonds. Für ausländische Firmen sind gute Beziehungen zu den staatlichen Stellen hilfreich. Davon könnte der Ziegelhersteller Wienerberger profitieren. Denn der Staatsfonds „Libyan Investment Authority“ (LIA) will sich bis Ende September mit zehn Prozent an dem Unternehmen beteiligten. Geschätzte Kosten: über 100 Millionen Euro. Damit sollen dem Konzern Türen geöffnet werden. In Tripolis werden große Wohnsiedlungen gebaut – künftig vermutlich mit Betonziegeln von Wienerberger.

Über den Staatsfonds kauft sich Gaddafi bei westlichen Firmen ein – bislang vor allem in Italien. Als im Frühjahr die Bank-Austria-Mutter UniCredit zur Bewältigung der Finanzkrise Geld brauchte, stockte der Fonds den Anteil an der Mailänder Großbank auf sechs Prozent auf. Danach folgten Beteiligungen am Autoriesen Fiat, an der Energiegesellschaft Eni, am Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Finmeccanica und am Fußballklub Juventus Turin.

Italienischen Medien zufolge soll nun die Telecom Italia an der Reihe sein. In London hat der Staatsfonds für 300 Millionen Euro Immobilien erworben. Bachmann erwartet, dass sich die Libyer in Österreich nach weiteren Investments umsehen. Schließlich hat der Vizechef des Staatsfonds, Mustafa Zarti, lange Zeit in Wien gelebt und für Libyen bei der Opec gearbeitet. „Zarti kennt Österreichs Wirtschaft sehr gut“, so der Handelsdelegierte.


Technologietransfer. Laut Mohammed Layas, Chef der Libyan Investment Authority, ist man vor allem an einem Technologietransfer nach Libyen interessiert. Expertenschätzungen zufolge verfügt Gaddafis Investmentvehikel über Reserven von 100 Milliarden Euro, davon soll erst ein Bruchteil ausgegeben worden sein.

Das US-Institut „Sovereign Wealth Fund“, das sich mit Staatsfonds beschäftigt, attestiert der Gesellschaft in Tripolis mit zwei von zehn Punkten eine äußerst geringe Transparenz. Denn die Libyer veröffentlichen keinen Überblick über ihre Beteiligungen. Es gibt keine Geschäftsberichte und keine transparente Investitionsstrategie.

Bei Wienerberger hat sich Gaddafis Gesellschaft verpflichtet, den Anteil in den nächsten zwei Jahren nicht auf 15 Prozent aufzustocken. Was wird danach passieren? Auf „Presse“-Anfrage hieß es dazu: „Kein Kommentar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2009)

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