Palliative & Spiritual Care: Lindernde Umstände

Lindernde Umstaende
Lindernde Umstaende(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Hospize und Krankenhäuser, die professionelle Begleitung für Schwer- und Todkranke implementieren wollen, sehen sich zunehmend nach Experten um.

Der Sinn des Lebens, der Umgang mit Schmerz, Krankheit und Tod, die Frage nach einem Danach – zu Allerheiligen kommen alljährlich die großen Themen und Tabus aufs Tapet. Zahlreiche Menschen setzen sich beruflich oder ehrenamtlich tagtäglich damit auseinander, begleiten und betreuen Patienten medizinisch und seelsorgerisch auf ihren schweren und letzten Wegen. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden diese Tätigkeiten immer wichtiger werden, dennoch sind die meisten Krankenhäuser noch weit davon entfernt, professionelle Hospiz- und Palliative Care umzusetzen – obwohl davon auch das Personal profitiert. „Der gesellschaftliche, zeitliche und rechtliche Druck ist in Palliativstationen und bei Palliativkonsiliardiensten wesentlich geringer.“ Experten sind gefragt, die spezielles Know-how besitzen.

Spirituelle Begleiter

Das Konzept der spirituellen Begleitung umfasst neben der Palliativmedizin (aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit begrenzter Lebenserwartung zur Schmerzbeherrschung und bei psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen) auch Menschen mit chronischen Erkrankungen oder in Situationen, die Sinn- und spirituelle Fragen aufwerfen – der Verlust eines Familienmitgliedes, Scheidung, Trennung, Flucht. „Spiritual Care“ kommt somit auch als Weiterbildung für nicht medizinisch ausgebildete Berufsgruppen in Frage. An eine religiöse Richtung ist es nicht gekoppelt.

Der neue Kremser Masterlehrgang „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ spricht zudem die Problematik multikultureller Systeme an: Auch der Umgang mit dem Tod ist keinem einheitlichen Muster unterworfen. „Damit wachsen auch die Herausforderungen in der spirituellen Betreuung von Menschen, sei es in der Medizin, in der Pflege- und Hospizarbeit, in der Psychotherapie ebenso wie in der Alten- und Sozialarbeit“, sagt Ernst Fürlinger, Leiter des Zentrums für Religion und Globalisierung der Donau-Universität. Der interreligiöse Ansatz macht das neue Kremser Studium zu einem europäischen Pilotprojekt. „Unsere Gruppe wird multireligiös zusammengesetzt. Jeder wird seinen Hintergrund kommunizieren, aber auch von den anderen lernen.“ Auch unter den Lehrenden werden mehrere Religionen vertreten sein, von der christlichen Tradition über das Judentum oder den sunnitischen Islam bis hin zu einer buddhistischen Zen-Priesterin, die sich mit Sterbebegleitung beschäftigt.

Neben theoretischen Kenntnissen, Kompetenzen und zentralen Methoden soll die praktische Einübung und Reflexion im Mittelpunkt stehen. „Zum einen durch Übungen in den Seminaren mit den Referenten zusammen, zum anderen durch Peergroups, die sich untereinander austauschen werden. Und dann wird es auch noch Praktika in unterschiedlichen Bereichen mit Supervision und Praktikumsbericht geben“, stellt Fürlinger in Aussicht. Nach vierSemestern sollen Menschen aus betreuenden Berufen – von der Pflege über Sozialarbeit bis zur Seelsorge – die Möglichkeit bekommen, den Lehrgang als „Akademische Experten“ abzuschließen, nach weiteren zwei Semestern können sie zum „Master of Arts“ (MA) graduieren.

Interkonfessionelle Ausrichtung

Gänzlich neu gestaltet wurde auch der seit einigen Jahren am Wiener Kardinal-König-Haus angebotene Lehrgang für „Spiritual Care“, der zwar nicht zum Masterabschluss führt, aber ebenfalls seit jeher interkonfessionell ausgerichtet ist. Schon bisher seien die wichtigsten Weltreligionen in dem Lehrgang behandelt worden, sagt Leiter Christian Metz. Der 15-monatige Lehrgang, der im November startet, wird zu zwei Dritteln von pflegenden Personen besucht, aber auch von Ärzten, Seelsorgern und Psychotherapeuten. Zahlreiche Teilnehmer stammen aus der Schweiz, da der Lehrgang traditionell gemeinsam mit dem Schweizer Lassalle-Haus organisiert wird, in dem auch die Hälfte der Module stattfindet. Durch die Umgestaltung wurde der Lehrgang von 15 auf 21 Präsenztage verlängert, die neue Kursleitung setzte aktuelle inhaltliche Schwerpunkte. Als akademischer Leiter konnte der Jesuit, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Theologe, Psychiater und Psychoanalytiker Eckhard Frick gewonnen werden.

Palliative Care

Von der medizinischen Seite her nähert sich dem Thema die Disziplin „Palliative Care“ an. „Palliative Care bezieht sich aber nicht nur auf die letzten Stunden, Tage und Wochen eines Lebens, sondern setzt im Idealfall immer dann ein, wenn klar wird, dass eine lebensbegrenzende Situation eingetreten ist. Sie umfasst alle Maßnahmen, die auf Linderung von Schmerzen und Symptomen auf körperlicher, psychischer, sozialer und seelischer Ebene abzielen“, erklärt Leena Pelttari, Geschäftsführerin des Dachverbandes der Palliativ- und Hospizeinrichtungen „Hospiz Österreich“. Um all diese Maßnahmen geht es dementsprechend auch im Salzburger Masterlehrgang „Palliative Care“, den „Hospiz Österreich“ zusammen mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) sowie der Erwachsenenbildungseinrichtung St.Virgil betreibt.

Beachtung schenken

Auch dieser Lehrgang hebt sich europaweit dadurch ab, dass Pflegepersonen ohne Matura hier die Möglichkeit bekommen, einen akademischen Abschluss zu erlangen. Derzeit werden pro Jahr zehn dieser Basislehrgänge (zwei Semester) in ganz Österreich angeboten und mit einem Zertifikat abgeschlossen. Wer ein Universitätszertifikat erlangen möchte, absolviert zusätzlich einen Vertiefungslehrgang (zwei Semester), etwa für Palliativmedizin, Palliativpflege, Psychosozial-Spirituelle Palliative Care oder Palliative Pädiatrie. Eine weitere Vertiefung führt zum Abschluss als „Akademischer Experte in Palliative Care“ (drei Semester) und nach einem weiterem Semester zum Grad eines „Master of Science (Palliative Care)“. „Studierende haben die Wahl, das Studium nach dem jeweiligen Zertifikat gleich fortzusetzen, eine Pause einzulegen oder die Fortbildung an diesem Punkt auch zu beenden“, so Pelttari, die auch dem Leitungsteam des Universitätslehrganges angehört. Stark frequentiert werde der Lehrgang von Pflege-Fachkräften, aber auch von Ärzten, „weil der Umgang mit dem Ende des Lebens im Medizinstudium kaum Beachtung findet“.

Auf einen Blick

Masterlehrgang „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“, www.donau-uni.ac.at

Lehrgang „Spiritual Care“, www.kardinal-koenig-akademie.at

Universitätslehrgang „Master of Palliative Care“, www.pum.ac.at, www.hospiz.at

Universitätslehrgang „Palliative Care/MAS“ www.uni-klu.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

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