Florida: Tiefenentspannung mit Seekuh und Hund

Schnorcheln mit Sehkühen
Schnorcheln mit SehkühenReuters
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Da muss schon mehr als extreme Kurzsichtigkeit im Spiel gewesen sein. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Manatees früher für Meerjungfrauen gehalten wurden.

Dass Seekühe mit ihrer Rubensfigur und Damenbart aber bestenfalls als Arielles korpulente Cousinen dritten Grades durchgehen, davon kann man sich im Sunshine State selbst überzeugen. Zwischen den Keys im Süden und der Forgotten Coast im nordwestlichen Pfannenstiel pflügen sie vielerorts durch die küstennahen Gewässer. Aber nur in Crystal River, etwa eine Autostunde von Tampa, ist es in den USA erlaubt, mit den drolligen Riesen in deren natürlicher Umgebung zu schwimmen.

Dafür geht es am frühen Morgen erst einmal rein in einen Neoprenanzug. Dann rauf auf ein Boot mit Captain Sean und anderen Seekuh-Schnorchlern. „Die Tiere zieht es dahin, wo es wärmere Temperaturen gibt“, sagt der 30-Jährige auf dem Weg ins Schutzgebiet. „Hier in die Bucht kommen sie gern, weil das Wasser wegen der vielen warmen Quellen konstant 23 Grad hat.“ Vor zehn Jahren seien die Manatees fast ausgestorben gewesen. „Heute gibt's allein hier bis zu 600 Tiere.“

Angreifen ist erlaubt

Damit es aber auch tatsächlich zu der außergewöhnlichen Meeresbegegnung der schwergewichtigen Art kommt, muss man einige Dinge beachten. Nicht laut planschen, sondern sich mit möglichst ruhigen Bewegungen auf den neonbunten Poolnudeln treiben lassen. So werden die Tiere nicht verschreckt, können Vertrauen fassen und – weil sie nicht so gut sehen – ihrer ausgeprägten Neugier nachgehen. Sollten sie in greifbare Nähe kommen, ist anfassen nur erlaubt, wenn die Seekühe selbst den Kontakt suchen. Aber besteht wirklich eine Chance, dass sie auf Kuschelkurs gehen und gestreichelt werden wollen?

Mutter und Kind

Um das herauszufinden, geht es nach 20-minütiger Fahrt ins schlotterfrische Wasser, das aber nicht so kristallklar ist, wie der Ortsname vermuten lässt. Die Sicht reicht nur ein paar Meter, doch Sean sieht vom Boot aus, wo die Seekühe an der Wasseroberfläche Luft schnappen, und gibt Hinweise, wo man am besten hintreiben sollte. Und tatsächlich zeichnen sich nach wenigen Augenblicken im leicht trüben Blau die Silhouetten zweier Manatees ab: Eine Mutter und ihr Junges schweben ins Blickfeld – und in aller Seelenruhe wieder hinaus. Bald kommen die Nächsten. Kleinere Jungtiere, große Bullen, die mit ihren Ausmaßen etwas einschüchtern – schließlich werden sie über vier Meter lang und sind um die 700 Kilo schwer. „Wir haben eine ziemlich beleibte Population, bei der die Weibchen mitunter sogar bis 1400 Kilo wiegen“, berichtet Sean. In ihrem grundentspannten Treiben wirken sie allerdings so selig, als könnten die Vegetarier nicht einmal Plankton etwas zuleide tun.

Auf Key West, ein paar hundert Kilometer weiter südlich, ist nur ein Tier dabei, als es aufs Wasser geht. Casey ist ein Border-Collie, neun Jahre alt und ähnlich tiefenentspannt wie die Manatees. Während der Hund auf dem Stand-up-Paddle-Board (SUP) in der Sonne vor sich hin döst, will der Rest der Gruppe sich darauf beim Yoga verbiegen. „Das sind spezielle Boards mit yogamattenähnlichen Oberflächen“, sagt Yoga-Lehrerin Holly Amodio von Lazy Dog. „Außerdem sind sie breiter und stabiler als normale Bretter.“

Yoga am Board
Yoga am BoardReuters

Wanderung im Sumpfwald

Die Übungen passt Holly dem Kenntnisstand der Teilnehmer an. Auch für Verknotungsnovizen sind die Positionen machbar, die sie heute vorexerziert. Wie absurd das SUP-Yoga aussehen muss, wird einem erst durch die Kajak-Gruppen bewusst, die grinsend vorbeipaddeln. Trotzdem hat diese Variante ihre Vorzüge: weil man mitten in der tropischen Natur ist; und man sich auf dem Wasser stärker auf die Balance konzentrieren muss. „So ist man voll dabei und macht die Übungen nicht nur auf Autopilot“, sagt die 39-jährige Holly. Unter den gleichgültigen Blicken von Collie Casey werden Po, Arm, Rücken und auch sonst so ziemlich jeder Muskel, von dessen Existenz man gar nichts mehr wusste, herausgefordert, gedehnt und gestärkt. Nachdem auch nach einer Stunde noch niemand ins Wasser gefallen ist, muss man am Ende zum Abkühlen einfach selbst hineinspringen.

Eine Abkühlung wäre auch bei der Wanderung mit Guide Russell Van Riper durch das Fakahatchee Strand State Preserve im südwestlichsten Festlandzipfel Floridas angenehm. Doch das Wasser ist seicht, dunkel, modrig und voller Tiere, mit denen man nicht unbedingt eine Badepause einlegen will. Schlangen zum Beispiel. Und Alligatoren. Weit über eine Million sollen in Floridas Gewässern leben, viele davon in den Everglades, die durch die weiten Ebenen und den Fluss aus Gras bekannt sind, durch das die propellerbetriebenen Airboats ihre Schneisen ziehen. Das Fakahatchee Strand State Preserve ist der Kontrast dazu: Sumpfwald aus dichtem, üppigem, wild wucherndem Grün. Zypressen, Kiefern und Königspalmen ragen weit in den Himmel hinauf, Farn wuchert schulterhoch und höher, an den Bäumen schmarotzen Orchideen.

Russell ist barfuß unterwegs. „Manchmal kitzelt es an den Fußsohlen“, sagt der Guide, der seine erste Sumpfwanderung mit sieben gemacht hat. Jetzt ist er 36 und kennt die Sümpfe wie sein Wohnzimmer. Irgendwann geht es bis über die Knie ins dunkle Wasser. „Nicht spritzen und plätschern, das wäre hier keine gute Idee“, rät Russell leise. Doch lediglich eine braune Wasserschlange huscht in Deckung. Nur Mückenschwärme stürzen sich auf die kleine Sumpfwandergruppe. Die Alligatoren bleiben glücklicherweise unter sich. Man muss den Tieren ja auch nicht ganz nahekommen – anders als wenige Tage zuvor bei den Seekühen.

Reuters

Kurz vor Schnorchelschluss deutete Captain Sean auf eine letzte Seekuh. Ein berühmt-berüchtigtes Exemplar: Chester, the Molester – Chester „belästigt“ nämlich gern. Gerade noch lässt sich das Manatee von einer anderen Schnorchlerin kraulen wie ein Hund, schon kommt der Nächste dran: Chester stößt sanft an und macht sich neugierig erforschend mit den kitzelnden Barthaaren an der Brust zu schaffen. Dafür wird die Seekuh am Hals gestreichelt, bis sich die Wege wieder trennen. Chester verschwindet im Blau des Golfs. Und ein schlotternder, aber beseelter Schnorchler an Bord.

Info

Schnorcheln mit den Manatees: riverventures.com

Sumpfwanderungen in den Everglades: evergladesareatours.com

SUP-Yoga auf Key West: lazydog.com

Übernachten: Das Marquesa Hotel auf Key West ist eine elegante Ruhe-Oase in Laufweite zum Zentrum. Mit Pool und hervorragendem Restaurant. marquesa.com

Das Ivey House in Everglades City bietet zwei Zimmerkategorien: ganz einfache mit Gemeinschaftsbad oder komfortable Mittelklassezimmer mit eigenem Bad. Der überdachte Pool ist mückensicher. iveyhouse.com

Weitere Infos:

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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