Bakir: "Das ist jetzt die Ära der Kurden"

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Bakir: "Das ist jetzt die Ära der Kurden"(c) APA/HBF/DRAGAN TATIC (HBF/DRAGAN TATIC)
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Der Außenminister der Kurdenregion im Nordirak, Falah Mustafa Bakir, verlangt im "Presse"-Interview Amnestie für PKK-Kämpfer, kritisiert Iraks Regierung und hält am Fernziel Kurdenstaat fest.

Die Presse: Es gibt Pläne für eine zweite Pipeline, mit der das Öl der autonomen Kurdenregion im Irak über die Türkei exportiert werden soll. Unterstützt die Kurdenregion die Friedensgespräche zwischen der Türkei und der kurdischen Untergrundorganisation PKK, um für die Pipeline ein sicheres Umfeld zu schaffen?

Falah Mustafa Bakir: Nein, wir unterstützen den Friedensprozess, um das jahrzehntelange Blutvergießen zu stoppen. Und wir wollen gute Beziehungen zur Türkei. Die Türkei ist unser wichtigster Handelspartner. Deshalb ermuntern wie beide Seiten zum Frieden.

Immer mehr PKK-Kämpfer marschieren mit ihren Waffen in die autonome Kurdenregion. Ist das nicht ein Sicherheitsproblem? Diese Kritik kommt auch aus Bagdad.

Wir verstehen Bagdads Sorge. Aber der Rückzug ist ein wichtiger Teil des Friedensprozesses zwischen Ankara und der PKK. Die Zahl der PKK-Kämpfer wird übertrieben. Diese Leute müssen, nachdem sie die Waffen niedergelegt haben, ein normales Leben fortsetzen. Es braucht eine Amnestie, damit sie in die Türkei zurückkehren können. Das ist eine Übergangsphase, es geht nicht um die permanente Verlegung der PKK-Kämpfer in die autonome Kurdenregion.

Es gibt auch andere Probleme zwischen Iraks Regierung und der Kurdenregion. Bagdad ist verärgert darüber, dass die Kurden immer mehr Öl an der Zentralregierung vorbeiexportieren.

Einige in Bagdad denken, dass sie alles kontrollieren müssen. Aber das ist vorbei. Der Irak ist jetzt ein föderaler, demokratischer, pluralistischer Staat. Bei unseren Rechten, die in Iraks Verfassung festgeschrieben sind, werden wir keine Zugeständnisse machen.

Im Irak nimmt die Gewalt zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppen zu. Wie reagieren Sie darauf?

Was im Irak passiert, ist besorgniserregend. Die Führung in Bagdad muss Verantwortungsbewusstsein beweisen. Es geht nicht, dass der Irak zur Herrschaft einer einzigen Partei oder Religionsgruppe zurückkehrt. Wenn die Sunniten denken, dass sie marginalisiert werden, sind sie natürlich nicht glücklich darüber. Im Irak müssen die Verfassung und das Prinzip der Machtteilung eingehalten werden.

Auch die Kurden in Syrien haben sich de facto eine Autonomie erkämpft. Das Assad-Regime hat sich dort aus den Kurdengebieten zurückgezogen.

Die Kurden in Syrien müssen ihre eigene Zukunft bestimmen. Leider ist Syriens Opposition bisher nicht auf die kurdischen Forderungen eingegangen: Hier sehen wir bisher nicht viel Unterschied zum Regime in Damaskus. Für uns ist es wichtig, dass Syriens Kurden mit einer Stimme sprechen.

Das ist aber offenbar nicht so einfach: Denn die dominierende Kurdenpartei in Syrien ist die PYD, die als Schwesterpartei der PKK gilt. Was denkt Ihre Regierung darüber?

Es ist normal, dass es unterschiedliche Parteien und Positionen gibt. Aber die Tage sind vorbei, in denen nur eine Partei eine Nation repräsentiert hat. Wir möchten, dass Syriens Kurden ihre Entscheidungen über eine gemeinsame Dachorganisation treffen und dass nicht eine einzige Partei alles dominiert. Ich glaube, dass das jetzt die Ära der Kurden ist. Wir haben den Kurden in der gesamten Region immer gesagt, dass sie ihre Probleme durch Dialog lösen sollen. Wir hoffen, dass die Kurden in der Türkei, in Syrien und im Iran die Möglichkeit bekommen werden, innerhalb des Landes, in dem sie leben, die vollen Rechte zu genießen.

Und was ist mit der Idee eines kurdischen Staates, der all diese kurdischen Regionen umfasst?

Wir sind die größte Nation der Welt ohne eigenen Staat. Die Geschichte hat uns betrogen, interne Probleme haben uns zu schaffen gemacht. Wir haben das Recht auf Selbstbestimmung. Dieses legitime Ziel wollen wir aber durch Dialog erreichen. Wenn einmal die Demokratie tiefe Wurzeln in dieser Weltgegend haben wird, wird das viel einfacher sein als heute.


Ein Projekt für die fernere Zukunft?

Wir haben den Fall der Berliner Mauer gesehen. Wenn man an die Veränderungen in der Welt denkt, kann diese Zukunft schneller kommen, als man denkt.

Auf einen Blick

Falah Mustafa Bakir ist Außenminister der autonomen Kurdenregion im Nordirak. Sie ist Teil des Irak, hat aber eine eigene Regierung, Wirtschaftspolitik und eigene Sicherheitskräfte. [Schneider]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2013)

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