Parndorf: Das Dorf im Schatten des Outlet Centers

(c) Die Presse (Jutta Sommerbauer)
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Vor zehn Jahren eröffnete das Outlet Center am Rande der burgenländischen Gemeinde. Anstatt zu sterben ist Parndorf gewachsen, es blüht durch hohe Steuer-Einnahmen und Arbeitsplätze im Windschatten des Outlet Centers unauffällig wie eine Heideblume.

Parndorf. Lange Zeit war Parndorf am falschen Ort. Eine kleine burgenländische Gemeinde kurz vor dem Eisernen Vorhang, mit Kirche und Pestsäule, seine Bewohner Pendler, die es aus der Heide nach Wien zog. Bis der Vorhang gelüftet wurde und sich Parndorf über Nacht auf einer Durchzugsstrecke des vereinten Mitteleuropa wieder fand. Aus einem Ort war ein Standort geworden, im ostösterreichischen Dreiländereck.

Ein bisschen später passierte das, was Bürgermeister Wolfgang Kovacs den „gewaltigen Einstieg“ nennt. Der britisch-amerikanische Shopping-Center-Betreiber McArthurGlen baute ein zweites, pastellfarbenes Dorf jenseits der Ortsgrenze: Vor zehn Jahren, am 20. August 1998, eröffnete das Designer Outlet Parndorf, bis dato zählt man 150 Shops, 1150 Arbeitsplätze und jährlich drei Millionen Einkäufer. An seinem Erfolg hat die zweisprachige Gemeinde, auf Kroatisch Pandrof, leise mitgenascht: Anstatt zu sterben ist sie gewachsen, Parndorf blüht durch hohe Steuereinnahmen und Arbeitsplätze im Windschatten des Outlet Centers unauffällig wie eine Heideblume. „Man ist in aller Munde“, sagt Wolfgang Kovacs über seinen zur Marke aufgestiegenen Ort. Er ist seit Herbst 2007 Bürgermeister, leger, gesprächig, mit einem goldenen Flinserl im linken Ohr. Hin und wieder kauft er seine Hemden im Outlet Center. Kovacs, der in Wien in einer Behinderteneinrichtung arbeitet, könnte gut ohne das Shopping-Center leben. Seine Gemeinde nicht. Von 2300 auf 4100 Einwohner ist sie in zehn Jahren gewachsen, die Zuzügler kommen aus dem übrigen Burgenland und Wien. „Parndorf wäre auch ohne Outlet Center größer geworden“, sagt Kovacs. Aber nicht so groß. Und nicht so schnell.

Heute hat die einst schwache Gemeinde Arbeitsplätze im Überfluss, 3000, zu viel für seine Bewohner. Im Outlet Center kommen 63 Prozent der Mitarbeiter aus dem Bezirk, aus dem Nachbarbezirk Bruck an der Leitha sind es 14 Prozent, sechs Prozent aus Eisenstadt. Vor allem Frauen, vor allem in Teilzeit. „Wenn eine Frau dort arbeiten will, wird sie Arbeit bekommen“, sagt der Bürgermeister, der unumwunden froh darüber ist, dass auch andere Betriebe die Industriezone bezogen haben. „Sonst wäre es zu einseitig.“

Verkehr und Zuzug haben Parndorf verändert. Die Autos schieben sich über die Neudorferstraße, wie die Bundesstraße 50 im Ortsgebiet heißt. Hier hat Franz Ladich sein Restaurant „Landhaus“ gebaut. Zu ihm kommen sie alle, die Alteingesessenen, die Fremden, die Einkäufer mit ihren prall gefüllten Taschen. „Wie in einem Wallfahrtsort“ gehe es heute in Parndorf zu. „Früher haben wir am Tag fünf Toasts verkauft“, sagt er, in seinem rustikalen Heurigen sitzend, ein gewaltiger Mann in einem karierten Hemd, auf dem Handgelenk eine große Golduhr. Ladich betreibt nicht nur das Restaurant, er besitzt auch ein Steakhouse samt Café. Er hätte nichts dagegen, würde Parndorf noch größer und bekannter.

Doch die Neudorferstraße ist nicht nur eine Durchzugsstraße, sie ist auch Parndorfs Grenzwall. Denn die Gemeinde ist zweigeteilt, da helfen auch die blauen Hinweisschilder nichts, die hilfsbereit an jeder Ecke warten. Zur Linken das alte Dorfzentrum, rechts die neuen Siedlungen mit blumigen Namen wie Heidesiedlung oder Maria-Theresia-Park. Alteingesessene wie die Trafikantin Gabriela Paal verirren sich „dort draußen“. „Man kennt sie nicht“, sagt die stämmige Frau über die „Fremden“. Und zum Zuzug meint sie: „Es soll einmal Schluss sein.“

Entschleunigung für Parndorf

Paal ist nicht die einzige, die dem Dorf, das Parndorf nicht mehr ist, nachtrauert. Vielen im Ort ging das Erwachen aus der Dorfruhe zu schnell. Im Herbst wählten sie den Baumeister der Veränderung ab: Erstmals seit Jahrzehnten wird der Bürgermeister nicht mehr von der SPÖ gestellt, sondern von der Dorf-eigenen Bürgerliste LIPA, der Liste Parndorf. Mit dem neuen Ortschef, früher war er Landessekretär der KPÖ, ist das Schlagwort nachhaltige Entwicklung in der burgenländischen Provinz angekommen: Kovacs redet gerne von Lebensqualität, Grünflächen, darüber, dass die Ortsfremden am Vereinsleben teilnehmen sollten. Freilich weiß Kovacs, dass die „Entwicklung nicht zu stoppen ist“ – noch nicht. Laut Flächenwidmungsplan wird die Gemeinde weiter anwachsen, auf 5500 bis 6000 Bewohner. Doch dann soll der Ort endlich zu seiner wohlverdienten Ruhe kommen. Und das Outlet Center wird weiter für Parndorf arbeiten.

AUF EINEN BLICK

Am 20. August 1998 eröffnete das Designer Outlet Parndorf. Am 21. August 2008 begeht man beim alljährlichen „Late Night Shopping“ (bis 23 Uhr) das Jubiläum.

Die Gemeinde Parndorfprofitiert von der Standort-Dynamik: Sie ist in den letzten zehn Jahren von 2300 auf 4100 Einwohner angewachsen. Die Kommunalsteuer macht fast die Hälfte des Gemeindebudgets aus. 63 Prozent der 1150 Center-Mitarbeiter kommen aus dem Bezirk Neusiedl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2008)

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