Fall Hirtzberger: Rache als Motiv des Mon Chéri-Täters

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Bürgermeister verweigerte einem finanziell angeschlagenen Gastronomen Umwidmung in Bauland. Dieser – durch eine DNA-Probe verdächtig – bestreitet die Tat aber.

19 Tage nachdem Hannes Hirtzberger ein vergiftetes Mon Chéri aß, ringt der Bürgermeister von Spitz an der Donau noch immer mit dem Tod. Während der 55-jährige Rechtsanwalt am Donnerstagvormittag am Landesklinikum Krems unverändert im künstlichen Tiefschlaf dämmerte, präsentierten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Niederösterreich nur zwei Kilometer entfernt der Öffentlichkeit jenen Mann, der am 8. Februar die mit Strychnin versetzte Praline inklusive Grußkarte an die Windschutzscheibe von Hirtzbergers dunkelgrauem Mercedes geklemmt haben soll.

DNA-Spuren auf dem Billet sollen ihn verraten haben, als Motiv nennen die Ermittler Rache für ein Immobiliengeschäft, das Hirtzberger in seiner Funktion als Bürgermeister verhindert haben soll. Der Beschuldigte bestreitet das, für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

DNA-Test verweigert

Der Verdächtigte geriet vor zwei Wochen ins Visier von Landeskriminalamt und Chefermittler Ernst Schuch. Am 14. Februar wurden die Beamten erstmals bei ihm vorstellig und baten den 56-Jährigen um eine freiwillige DNA-Probe, die mit den Spuren auf der Grußkarte verglichen werden sollte. Unter Berufung auf seine Persönlichkeitsrechte verweigerte er. Als ihn die Ermittler nach einem Alibi fragten, wurden die Beamten misstrauisch: Er sei am 8. Februar zum Einkaufen unterwegs gewesen und hätte den Rest des Tages zu Hause verbracht – allein. Erst nachdem das LKA Massen-DNA-Testes angekündigt und dem nun Verhafteten die Abnahme von DNA-Proben auf richterlichen Beschluss angedroht hatte, willigte dieser ein. Das war am 19. Februar.

Vorgestern, Mittwoch, ließ das LKA seine Speichelprobe gemeinsam mit 29 weiteren im kriminaltechnischen Labor mit den gesicherten Spuren vergleichen. Der Test verlief positiv, um Punkt 16.15 Uhr klickten für ihn die Handschellen.

Einem der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre geht eine lange Geschichte von Einzelschicksalen und Meinungsverschiedenheiten voraus. Seit Jahren schon will der Verdächtige einen Weingarten an der Spitzer Ortseinfahrt in Bauland umwidmen lassen. Zuletzt wurde er im Februar 2007 bei Hirtzberger vorstellig.

Er habe einen Investor an der Hand, der auf dem Grundstück ein Thermenhotel errichten wolle. Hirtzberger verlangte einen Finanzplan sowie Probebohrungen auf besagtem Grundstück: Schließlich wisse ja niemand, ob hier überhaupt Thermalwasser zu finden sei. Da der Antragssteller der Aufforderung nicht nachkam, lehnte Hirtzberger das Gesuch ab.

Hintergrund dürfte dessen prekäre finanzielle Lage gewesen sein. Der Sohn eines inzwischen verstorbenen und in Konkurs gegangenen Groß-Winzers aus Straß, war vor etwa 15 Jahren nach Spitz gekommen und hatte den von seinem Onkel übernommenen „Klosterhof“ in eine Groß-Vinothek („Weinkolleg Wachau“) umgebaut.

Konkurrenten erzählen heute, dass er lokale Winzer zwar „zum Mitmachen“ animierte, in Wahrheit aber kein wirkliches Interesse daran gehabt haben soll und schließlich nur Weine aus anderen Regionen im Programm hatte, nicht aber die weltberühmten Produkte aus der umliegenden Wachau.

Traurige Familiengeschichte

Die Geschäfte liefen entsprechend schlecht, Klosterhof und Weingarten gehören mittlerweile längst der Bank, der angeschlossene Heurige ist an einen Gastronomen aus der Slowakei verpachtet – und nur während der Sommermonate geöffnet.

Wie sein Vater, dessen einst exzellenter Ruf im Zuge des großen Weinskandals ruiniert wurde, war auch der nun Inhaftierte nicht vom Glück verfolgt. Seine Frau, mit der er zwei Kinder hat, hat ihn verlassen, sein jüngerer Bruder nahm sich in den 1980-er Jahren im Klosterhof das Leben.

Schon als 19-Jähriger war er 1971 im benachbarten Langenlois wegen seines angeblichen Naheverhältnisses zu rechtsextremen Kreisen mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Nachdem der damalige Stadtpfarrer im Unterricht Kritik am NS-Regime geäußert hatte, beschmierte er gemeinsam mit zwei Komplizen die Stadtpfarrkirche.

AUF EINEN BLICK

Am 8. Februar fand Hannes Hirtzberger das vergiftete Mon Chérie an seinem Auto. Am 9.Februar aß er das Konfekt und brach zusammen. Seitdem ist sein Gesundheitszustand kritisch. Bei der Recherche in Gemeindeakten stießen die Ermittler auf einen Verdächtigen. Ein DNA-Test bestätigte den Verdacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2008)

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