"Memorial Cruise": Titanic, nur ohne Eisberg

Memorial Cruise Titanic ohne
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Im Namen der vor 100 Jahren verunglückten Titanic ist in Southampton ein Schiff in See gestochen. Die "Memorial Cruise" ist seit Langem ausverkauft. 1309 Gäste haben auf dem Schiff Platz.

(c) Die Presse / GK

Ein beispielloses Meeresunglück hat sich im Atlantik ereignet“, schrieb „The Times“ am 16. April 1912. „Mit fast 2400 Menschen an Bord ist der White-Star-Liner Titanic auf seiner Jungfernfahrt in der Nähe von Kap Race verloren gegangen, und den neuesten Nachrichten folgend gibt es triftigen Grund zu befürchten, dass weniger als 700 Leben gerettet werden konnten.“ Die böse Vermutung stellte sich als richtig heraus: Das Luxusschiff Titanic, der damals größte und glamouröseste Dampfer der Welt, war mit einem Eisberg kollidiert. Auch weil es zu wenig Rettungsboote gab, starben 1517 Menschen. Die Aktienwerte der US-amerikanischen Reederei International Mercantile Marine Company (IMM), der die Titanic gehörte, rasten in den Keller. Drei Jahre später meldete das Unternehmen Konkurs an.

Versicherungspreise für Schiffe schossen in die Höhe.
Hundert Jahre nach dem Desaster wird im Namen der Titanic wieder in See gestochen. Vom südenglischen Southampton, wo das Schiff 1912 seine Jungfernfahrt startete, begann das Unternehmen Miles Morgan Travel am Ostersonntag einen „Titanic Memorial Cruise“. Die Route ist dieselbe wie 1912, auch das Flair soll so nah wie möglich am Original gehalten werden. Dem Initiator zufolge läuft das Geschäft prächtig. Trotz zuletzt wiederholter Schiffsunglücke ist die Reise auf den Spuren der Titanic ausverkauft. Um mehr Menschen die Fahrt zu ermöglichen, wurde sogar ein zweites Schiff gechartert.
Über zwölf Nächte wird das Kreuzfahrtschiff Balmoral von der Reederei Fred. Olsen Cruises, dessen nordirisches Mutterunternehmen Harland and Wolff einst die Titanic baute, von Southampton nach New York fahren. Am 15. April, dem 100-jährigen Jubiläum des Sinkens, soll am Ort der Kollision mit dem Eisberg eine Zeremonie abgehalten werden. 1309 Gäste haben Platz, genau wie auf der Titanic. Tickets für die Reise inklusive Rückflug von New York kosten zwischen 2595 und 7995 Pfund. Ein Äquivalent zur dritten Klasse von hundert Jahren, deren Fahrkarten acht Pfund wert waren, nach heutigem Wert rund 450 Pfund, gibt es nicht. Auch auf dem zweiten Schiff Azmara Journey, das ab dem 10. April von New York aus eine Reise zum Unglücksort und wieder zurück antreten wird, orientiert man sich an kaufkräftigen Kunden. Zudem wird die Balmoral nach ihrer Rückkehr nach Southampton eine zweite Fahrt mit einem ähnlichen Programm anbieten.

Ein Kostümball zur Tragödie.
„Die Leute sind begeistert“, berichtet Tara Plumley von Miles Morgan Travel. „Unsere Kunden berichten, dass das immer ihr Traum war. Mehrere Gäste hatten Verwandte auf dem Schiff, viele wollen ihrer gedenken.“ Dabei wird an Bord das Essensmenü von vor hundert Jahren angeboten sowie Feiern, bei denen auch die Kleidung der damaligen Zeit getragen wird. Alles soll so originalgetreu wie möglich sein. Ein Bestreben, das einigen Menschen sauer aufstößt. Auf der Website Cruisecritic.co.uk, die über das Geschäft von Kreuzfahrten berichtet, hagelte es Beschwerden über den Plan von Miles Morgan Travel und die Ideen einiger Kunden, die schon extra historische Outfits gekauft haben sollen. Aus einer Tragödie einen Kostümball zu machen, sei geschmacklos, hieß es wiederholt. Andere Leser fanden die ganze Idee einer Jubiläumsfahrt unangemessen. Ein Leser, der angab, auf der Titanic sei ein Familienmitglied gestorben, fragte: „Wer wird sich wie die Frau meines Urgroßvaters kleiden? Oder wer wird einen Sprung in den Atlantik wagen, der von Überlebenden wie ,tausend Messerstiche‘ beschrieben wurde?“

Miles Morgan, Gründer der gleichnamigen Reisegesellschaft, sagt hingegen, er sehe in seiner Veranstaltung gar nicht so sehr ein Geschäft: „Wahrscheinlich hätten wir noch zwei weitere Schiffe füllen können. Aber irgendetwas sagte mir, dass das nicht richtig gewesen wäre. Ich wollte nicht vor allem einen kommerziellen Gewinn erzielen, sondern auch einen persönlichen für alle Beteiligten.“ Als im Januar die Costa Concordia vor der italienischen Küste Giglio sank und 34 Menschen starben, kamen jedoch erneut Zweifel am Vorhaben auf.

Die meisten Gäste sind Amerikaner.
Die Buchungen hat es nicht gestört, Stornierungen habe es keine gegeben. Die meisten Fahrgäste kommen aus den USA und Großbritannien, wohl weil aus diesen Ländern die meisten Menschen einen persönlichen Bezug zur Titanic haben. Weitere Tickets wurden auf allen Kontinenten verkauft. Eine Studie der Universität Cardiff gab zudem Sicherheit. Demnach birgt die Schifffahrt heute trotz des Unglücks der Costa Concordia weniger Gefahren denn je. Während 1912 noch ein Prozent der Schiffe sank, kam dies 2009 nur noch in einem von 670 Fällen vor. Gleichzeitig hat sich die Anzahl von Schiffen, die auf den Ozeanen unterwegs sind, verdreifacht. 55.000 Kreuzfahrtpassagiere sind täglich auf See.
Solange auf den Schiffen alles nach Plan läuft, dürfte der „Memorial Cruise“ für Miles Morgan Travel ein voller Erfolg werden. „Für unser Unternehmen ist das ein Highlight. Etwas in diesem Ausmaß haben wir noch nicht veranstaltet“, sagt Morgan. Auch kommerziell soll die Veranstaltung einen Höhepunkt der Unternehmensgeschichte darstellen.

Neben der Studie aus Cardiff gebe es noch weitere Gründe, warum sich die Fahrgäste sowie alle Beteiligten sicher fühlen können. Im Vergleich zur Titanic, die mit 20 Rettungsbooten nur rund die Hälfte der Menschen auf dem Schiff Platz bot, würden die Boote auf der Balmoral sowie der Azmara Journey alle Passagiere und Mitarbeiter retten können. Ein weiteres Problem der Titanic war der Mangel an Versicherungen: „Der Dampfer war natürlich nicht mit seinem ganzen Wert versichert, der wahrscheinlich bei 1,75 Millionen Pfund liegt, sodass ein schwerer Verlust auf den Besitzern lastet“, schrieb „The Times“ am 17. April 1912. Im Fall der Schiffe für den „Memorial Cruise“ sei das anders, beruhigt Miles Morgan Travels: Zwar müssten Passagiere Reiseversicherungen selbst kaufen, aber die Schiffe seien voll versichert. Wenn man auch auf den Spuren der Titanic reise, die großen Fehler begehe man nicht noch einmal.

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