Weg vom Grünkurs?

Einer der neuen Volvo-7900-Hybridbusse der Wiener Linien, der ab Montag auf der Linie 4A zum Einsatz kommt.
Einer der neuen Volvo-7900-Hybridbusse der Wiener Linien, der ab Montag auf der Linie 4A zum Einsatz kommt.(c) Wiener Linien / Zinner (Johannes Zinner)
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Öffentlicher Verkehr. Trotz des Erfolgs der E-Busse in der Wiener Innenstadt setzen die Wiener Linien auf Dieselfahrzeuge. Der Wille zur E-Mobilität wäre da, nur fehlen geeignete Fahrzeuge.

International gelten die zwölf E-Busse, die in Wiens City verkehren, als Vorzeigemodell. Derzeit testet etwa Krakau das Erfolgsprinzip mit zwei Leihbussen der Wiener Linien. Seit 2012 sind sie auf den Linien 2A und 3A in Betrieb und ernteten dank ihres innovativen, mobilen Ladesystems viel Lob. Richtungsweisend waren sie aber anscheinend nicht: Momentan wird die Hälfte der Wiener Busflotte erneuert, nur Elektrobusse fehlen auf der Anschaffungsliste.

Abwarten heißt die Devise

Als neue grüne Vorzeigemodelle gehen ab 12.Mai sechs Volvo-Hybridbusse – diese kombinieren E-Antrieb und Verbrennungsmotor– auf der Linie 4A in Betrieb. Der Großteil der neuen Anschaffungen, 217 Stück, wird aber von Mercedes geliefert. „Citaro“ heißt das Modell der Wahl für die nächste Generation und wird mit Diesel betrieben.

Auch wenn diese Fahrzeuge fünfzehn Prozent weniger Energie als die Flüssiggasbusse brauchen, die seit 1976 in Betrieb sind, fehlt eine Fortsetzung der grünen Linie bei dem öffentlichen Verkehrsbetrieb. Als „zuverlässige Arbeitstiere“, verteidigt Sprecherin Anna Maria Reich diese Wahl der Modelle und ergänzt: „Wir haben zwei Jahre lang viele Varianten getestet. Dabei ging es um Lärmbelastung, Komfort, aber auch darum, ob sie die modernsten Abgasnormen erfüllen.“ In allen Punkten hätte dieses Dieselmodell die Auflagen erfüllt. Alles sei aber noch nicht entschieden. „Wir testen die Hybridbusse und warten mit den Aufträgen für die zweite Hälfte der neuen Flotte noch ab – dies auch, um zu sehen, was sich auf dem Markt tut.“

Brückentechnologie ist hybrid

Hier, auf dem Markt, befindet sich der eigentliche E-Bremsklotz. „Es fehlt schlicht ein breites Angebot von großen E-Bussen. Sie befinden sich erst am Anfang der Entwicklung“, kommentiert Josef Michael Schopf vom Institut für Verkehrsplanung der TU Wien: „Ich rechne aber damit, dass diese Entwicklung in einem Jahrzehnt weitgehend abgeschlossen sein wird. Ab 2025 wird E-Verkehr völlig normal sein, auch in Wien.“ Die nun in Wien auf einer Linie getesteten Hybridbusse sieht er nicht als endgültige Lösung, sondern charakterisiert sie als „Brückentechnologie“.

Vorsichtig beurteilt auch Christian Gratzer, der sonst betont angriffsfreudige Sprecher des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ), die Dieselentscheidung. „Beim öffentlichen Verkehr geht es in erster Linie einmal darum, dass er funktioniert, also um Zuverlässigkeit“, sagt Gratzer. „Kleinbusse sind bereits reibungslos als Elektrofahrzeuge einsetzbar, genauso natürlich wie Taxis. Aber es gibt schlicht noch keine großen Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Je schwerer ein Fahrzeug, desto schwieriger ist der Einsatz der Technologie.“

Hersteller in Verantwortung

Weiters betont er, dass auch trotz der neuen Dieselflotte der öffentliche Verkehr in Wien ein Vorzeigebeispiel für E-Mobilität sei: „Immerhin fahren täglich 1,6 Millionen Menschen mit der U-Bahn. Dazu verteilen sich eine weitere Million Nutzer auf Straßenbahn und Busse.“ Dies beeinflusste auch maßgeblich den beachtlichen Wert, den das VCÖ vor einem Jahr erhob: So wird in Österreich bereits jeder sechste Kilometer e-mobil zurückgelegt, in Wien sind es sogar 50Prozent. Wie Gratzer betont auch Günter Lichtblau, Verkehrsexperte des Umweltbundesamts, dass die jüngste Entscheidung für Dieselbusse „zwar völlig nachvollziehbar ist, weil die ausgewählten Modelle den modernsten Emissionsvorgaben entsprechen, aber natürlich hätten wir uns ein Bekenntnis zur E-Mobilität gewünscht.“ Schuld sei nicht der fehlende Wille, sondern der Markt. Erfahrungen anderer Modellregionen hätten ebenfalls gezeigt, dass ein Ausbau vor allem an nicht verfügbaren Fahrzeugen scheitere.

Nötig sei deshalb ein massiver Innovationsschub bei den Fahrzeugherstellern. Dafür fehle mitunter der Antrieb, und so setzt angesichts relativ günstiger Treibstoffpreise die Industrie nach wie vor besonders auf die Verbesserung von Verbrennungsmotoren. Verschlafen dürfe man angesichts dessen den nötigen Wechsel zu E-Mobilität auf keinen Fall. Lichtblau: „Die Preise für Benzin und Diesel sind seit einiger Zeit stabil. Aber bleiben wird es definitiv nicht so.“

INFO

Soeben wurden die Top-Ten-Listen der grünsten Städte der Welt erneuert. Dabei zeigt sich, dass die Treibstoffwahl für die öffentlichen Verkehrsmittel ein wichtiges Nachhaltigkeitskriterium ist. Oslo schaffte einen Spitzenplatz (Platz acht), weil die Busflotte auf Biogas umgerüstet wurde. Adelaide, die Aufsteigerstadt Australiens, punktete, weil hier die weltweit ersten solarenergetisch betriebenen Busse eingesetzt werden (Platz vier). Auf Platz eins landete das kanadische Vancouver, das gerade sein Transportwesen völlig umkrempelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2014)

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