Biathlon-WM: Flächendeckende Mafiamethoden

(c) GEPA (Hans Osterauer)
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Der Internationale Verband spricht von systematischem Doping in Russland, die Anschuldigungen gegen Österreichs Skijäger waren völlig haltlos.

PYEONGCHANG/WIEN. Ausgerechnet einen Tag vor Beginn der Biathlon-Weltmeisterschaft fiel der Föhnsturm über Pyeongchang, in der Übersetzung gleichbedeutend mit Friede und Gedeihen, herein. Es schüttete in Südkorea in Strömen, der Wind erreichte die Stärke neun, Kameratürme wurden umgerissen, Absperrungen verblasen, Transparente durch die Luft gewirbelt. Diese Schäden konnten die Gastgeber rasch wieder beheben, größere Sorgen bereitet ein weißes Band. Die Kunstschneeloipe ist völlig aufgeweicht, der Föhn fraß bis zu 20 Zentimeter weg, in der Nacht auf Samstag mussten die Koreaner 3000 Kubikmeter Schnee aus dem Depot herankarren, um den ersten Bewerb (Zehn-km-Sprint der Herren, 11.15 Uhr MEZ, live, ORF1, Eurosport, ZDF) zu retten. Die Pistenarbeiter mussten fest in die Hände spucken, die Schleifen sind zwischen 2,5 und 3,3 Kilometer lang. Der technische Delegierte des Internationalen Verbandes (IBU) hofft freilich auf faire Bedingungen.

Die Spitze des Eisbergs?

Die ungewöhnlichen Witterungsbedingungen aber waren unmittelbar vor WM-Auftakt nicht Gesprächsthema Nummer eins, alles drehte sich am Freitag um Doping. Im Rahmen der IBU-Pressekonferenz wurde vor allem Österreich der Persilschein ausgestellt. Gegen Rot-Weiß-Rot hatte die französische Sportzeitung „L'Equipe“ Anschuldigungen erhoben, aber kein Athlet wurde positiv getestet. Der Autor des Artikels, der in Pyeongchang weilt, versteckte sich nicht, er ergriff auch das Wort, um sich reumütig zu entschuldigen. Markus Gandler nahm's zur Kenntnis, er hatte die Vorfälle sofort dementiert und von „Rufmord“ und „Intrige“ gesprochen.

Drei Aktive aus Russland hingegen wurden überführt („Die Presse“ berichtete), es handelt sich dabei um Albina Achatowa, Jekaterina Jurjewa und Dmitri Jaroschenko. Auch die B-Proben der drei (Ex-)Weltmeister waren positiv, das Trio muss sich auf eine längere Sperre gefasst machen, nach den neuen Regeln der Weltantidopingagentur (WADA) bis zu vier Jahre.

IBU-Präsident Anders Besseberg aus Norwegen zeigt sich jedenfalls sehr besorgt. „War das alles, oder sehen wir nur die Spitze des Eisbergs?“, fragte er in Pyeongchang. „Ich bin schockiert über Doping in diesem großen Umfang in einer unserer stärksten Mannschaften.“ Die Testprogramme werden künftig erweitert und Besseberg sprach von „systematischem Doping“. Mit der Bestrafung der Athleten allein begnügt man sich nicht, „wir werden alles unternehmen, um auch die Hintermänner zu finden“.

Die Sünder sind fast in einer Nacht- und Nebelaktion nach Moskau abgereist, sie müssen sich in der Heimat einer Kommission stellen. Die verbotenen Substanzen, die beim Weltcup in Östersund (Schweden) gefunden worden sind, werden nicht genannt; es handelt sich dabei allerdings um ein EPO-Präparat der dritten Generation. Vertrieben wird es unter anderem von der russischen Mafia.

„Mit den Russen ist nicht zu spaßen“, erklärt der deutsche Trainer Wolfgang Pichler, der Schwedens Team betreut. Athleten, die offen russische Dopingsünder anprangern, haben bereits Drohungen erhalten. Dem Schweden Mattias Nilsson etwa wurde nahegelegt, „nie wieder nach Russland einzureisen“. Wenn doch, dann werde man ihn jagen. Was immer das genau bedeutet. Einige Mannschaften erwägen daher einen Boykott des Weltcup-Finales in Chanty-Mansijsk. „Ein paar Nationen pfuschen“, führt Pichler aus, „denen muss man das Handwerk legen. Das sind keine Einzelfälle!“ Vieles spricht für flächendeckendes Doping.

Kreml-nahe Funktionäre haben ihre Beziehungsnetze gestrickt; ungeniert pflegt man Kontakte zu kriminellen Organisationen. Die Palette der betroffenen Sportarten reicht von Leichtathletik, Rudern bis zum Eiskunstlauf – und eben Biathlon.

Ohne Wildwest-Schießerei

Die entlasteten Österreicher wollen nun am Schießstand und in der Loipe zurückschlagen, im Weltcup hat man in den vergangenen Monaten öfters für Furore gesorgt. Den Sprint nehmen Christoph Sumann, Dominik Landertinger, Simon Eder und Daniel Mesotitsch in Angriff, es geht auch um eine gute Ausgangsposition für die Verfolgung am Sonntag.

Beim Training hat es übrigens am Schießstand überhaupt nicht geklappt, die Generalprobe in Südkorea ist völlig misslungen, das lässt für den Wettkampf hoffen. Bleibt abzuwarten, wie die ÖSV-Skijäger mit der tiefen Loipe zurechtkommen. Der 33-jährige Steirer Sumann brennt schon: „Im Rennen heißt es: Volle Attacke, aber ohne Wildwest-Schießerei!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2009)

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