Mazedonien: Ein Wahlkampf mit Schusswechseln

(c) Reuters (Ognen Teofilovski)
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Gewalt zwischen den Albaner-Parteien und patriotische Töne dominierten die Wochen vor der Neuwahl am Sonntag.

Belgrad/Skopje. In Mazedonien wird das Wort Wahlkampf manchmal zu wörtlich genommen: Fast täglich werden aus dem Westen des Landes Schießereien und die Zerstörung von Büros rivalisierender Albaner-Parteien vermeldet. Auf den Chef der Partei DUI, den ehemaligen Rebellen-Kommandanten Ali Ahmeti, wurde Anfang Mai gar ein Anschlag verübt, der allerdings missglückte.

Während sich die Parteien der albanischen Minderheit, die ein Viertel der Bevölkerung ausmacht, also buchstäblich aufreiben, versucht Premier Nikola Gruevski wortreich, sich als Hüter der nationalen Interessen zu profilieren: Der anvisierte Nato- und EU-Beitritt könne nicht auf Kosten des Verlusts „unserer Identität, unserer Sprache und unserer Nation“ gehen, schließt der frühere Hobby-Boxer die vom Nachbarn Griechenland geforderte Umbenennung seines Landes strikt aus: „Wir können nicht gegen den Willen von zwei Millionen Bürgern handeln“. Unabhängig vom Ausgang des Namensstreits stehe sein Land vor einer hellen Zukunft: „Es ist nicht wahr, dass wir ohne EU und Nato in ein Loch fallen.“

Keine stabilen Verhältnisse

Patriotische Töne haben in Mazedoniens Wahlkampf Konjunktur. Das Veto Athens, das mit dem Verweis auf die eigene Provinz Mazedonien die Nachbarn zur Namensänderung zwingen will, hatte Skopje beim Nato-Gipfel Anfang April die erhoffte Mitgliedschaft verwehrt und die ohnehin labile Koalition von Gruevskis national-konservativer VMRO-DPMNE („Innere Mazedonische Revolutionsorganisation – Demokratische Partei für Nationale Einheit Mazedoniens“) mit der Albaner-Partei DPA endgültig straucheln lassen. Von der Wahl erhofft sich Gruevski eine stabilere Mehrheit zur Verwirklichung einschneidender Wirtschaftsreformen.

Zwar liegt seine Partei in Umfragen deutlich vor den Sozialdemokraten, die von der ehemaligen Vize-Premierministerin Radmila Sekerinska geführt werden. Doch egal, ob der 37-Jährige nach der Wahl erneut mit der DPA oder der konkurrierenden Albaner-Partei DUI ein Bündnis schmiedet: stabilere Verhältnisse sind nicht in Sicht.

Erst sieben Jahre ist es her, dass Mazedonien am Rande eines Bürgerkrieges taumelte. Im Gefolge des Konflikts im angrenzenden Kosovo mündeten die Autonomie-Bestrebungen der mazedonischen Albaner 2001 in blutige Scharmützel mit Regierungstruppen. Unter internationaler Vermittlung verständigten sich die Kontrahenten im Abkommen von Ohrid schließlich auf eine Stärkung der Rechte der Albaner. Doch obwohl stets eine Albaner-Partei an der Regierung beteiligt ist, kann von stabilen Verhältnissen bei dem EU-Anwärter keine Rede sein.

Die Albaner fühlen sich nach wie vor benachteiligt – und durch die noch immer ausstehende Anerkennung des Kosovo durch Skopje verärgert. Viele Mazedonier halten die albanischen Forderungen indes für überzogen. Wenn die Albaner über die Vereinbarungen von Ohrid hinausgehen wollten, würden sie die „Büchse der Pandora“ öffnen, warnt Premier Gruevski. Mazedonien sei seit 2001 ein multi-ethnischer Staat, sagt hingegen der oppositionelle DUI-Chef Ali Ahmeti: „Es wäre gefährlich, wenn Mazedonier denken, dass Mazedonien nur ihnen gehört.“

Griechenland störte Burgfrieden

Die von allen Bevölkerungsgruppen unterstützte Nato-Aufnahme hätte eigentlich den Zusammenhalt des fragilen Vielvölkerstaats fördern sollen. Doch mit seinem Veto hat Griechenland den mühsam erzielten Burgfrieden der Nachbarn empfindlich gestört. Im Wahlkampf brechen nun die alten Vorbehalte zwischen den Volksgruppen wieder auf.

Die Wahl am Sonntag sei ein „Schlüsseltest“ für die politische Reife des Landes und könnte den Zeitpunkt für den Beginn von Beitrittsbehandlungen beeinflussen, zeigt sich EU-Botschafter Erwan Fouere über die anhaltenden Gewalt-Exzesse „tief besorgt“: Sollten die Vorfälle anhalten, könnte die Rechtmäßigkeit der Wahl leicht untergraben werden.

Siehe Gastkommentare Seite 33

HINTERGRUND

Seit dem Zerfall Jugoslawiens fordert Griechenland, dass Mazedonien seinen Namen aufgibt. Athen wirft Skopje Gebietsansprüche auf die griechische Nordprovinz Mazedonien vor. Griechenland hat deshalb ein Veto gegen den Nato-Beitritt Skopjes eingelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2008)

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