Ein Gutachten sieht durch die Einrichtung des dauerhaften Rettungsschirms die Budgetverantwortung auf Dauer berührt. Die Regierung sagt, eine einfache Mehrheit reiche.
Die deutsche Regierung benötigt zur Einrichtung des dauerhaften Europäischen Rettungsschirms (ESM) laut einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" offenbar eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Wie die Zeitung berichtet, geht dies aus einem Gutachten des Freiburger Centrums für Europäische Politik (CEP) hervor. Die Gutachter halten demnach eine Zweidrittelmehrheit für unverzichtbar, da der ESM "eine Systemverschiebung der Währungsverfassung" bringe, die nach Artikel 23 des deutschen Grundgesetzes nur mit verfassungsändernden Mehrheiten erfolgen dürfe.
Der ESM-Vertrag binde die nationale Budgetpolitik dauerhaft in das System einer EU-nahen internationalen Finanzorganisation, den ESM, ein, heißt es in dem Gutachten. "Hierdurch ist die Budgetverantwortung des Deutschen Bundestages strukturell und auf Dauer berührt." Der Bundestag sehe sich dauerhaft Hilfsansinnen verschuldeter Euro-Staaten ausgesetzt, denen er politisch nur schwer entrinnen könne, "selbst wenn er juristisch die Hoheit über die Bewilligung jedes einzelnen Hilfsprogramms behalten sollte", heißt es in dem Gutachten demnach weiter.
Widerspruch zu dieser Meinung kommt von der deutschen Regierung. Für die Verabschiedung des ESM reicht die einfache Mehrheit in beiden Parlamentskammern. An dieser Rechtsauffassung habe sich nichts geändert, sagten Regierungssprecher Steffen Seibert und ein Sprecher des Finanzministeriums. Sie widersprachen damit dem CEP-Gutachten.
Mehrheit für Aufstockung
Die Eurozone ist bereits einen Schritt weiter und beschäftigt sich mit der Aufstockung des ESM auf 700 Milliarden Euro von derzeit 500 Milliarden. Nach Einschätzung von EZB-Führungsmitglied Jörg Asmussen wird die Zone in dieser Woche eine Einigung zur Aufstockung des ESM erzielen. Er gehe davon aus, dass sich die Finanzminister bei ihrem Treffen Ende der Wochen in Kopenhagen zu einem Kompromiss durchringen, sagte Asmussen in einem am Samstag geführten und am Montag veröffentlichten Interview mit der finnischen Zeitung "Helsingin Sanomat".
Die Europäische Zentralbank (EZB) sei für eine Aufstockung und betrachte diese zudem als Bedingung für die Verbesserung globaler Krisenmechanismen wie etwa die Finanzausstattung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Fast alle Länder der Euro-Zone wollen den dauerhaften ESM aufstocken, um die Ansteckungsgefahr in der Schuldenkrise zu bannen - Deutschland und Finnland haben sich bisher jedoch dagegen ausgesprochen. Zuletzt deutete sich aber auch bei diesen beiden Ländern Kompromissbereitschaft an.
(APA)