Verfassungs-Abstimmung: Richter wollen nicht mehr

Für die zweite Runde des Verfassungs-Referendums wird es schwierig, genügend Richter zur Aufsicht zu finden.
Für die zweite Runde des Verfassungs-Referendums wird es schwierig, genügend Richter zur Aufsicht zu finden.(c) EPA (ANDRE PAIN)
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In Ägypten gibt es neue Proteste. Die Richter wollen die zweite Runde des
Referendums nicht beaufsichtigen. Und der Generalstaatsanwalt tritt zurück.

In Ägypten hat die Opposition den Rücktritt des erst vor einem Monat ernannten ägyptischen Generalstaatsanwalts Talaat Ibrahim begrüßt und für Dienstag zu neuen Protesten aufgerufen. Viele Richter hatten es als Angriff auf ihre Unabhängigkeit gewertet, dass der islamistische Präsident Mohammed Mursi im November Ibrahims langjährigen Vorgänger abgesetzt hatte. Zahlreiche Ägypter lehnen auch die neue Verfassung als islamistisch geprägt ab, über die am Samstag in der zweiten Etappe des Referendums abgestimmt werden soll. Dennoch dürfte den Islamisten eine Annahme des Verfassungsentwurfs sicher sein.

Mehr als 1300 Mitglieder der Staatsanwaltschaft hatten sich am Montag vor dem Amtssitz von Generalstaatsanwalt Ibrahim versammelt und verlangt, dass er seinen Posten abgibt. Als Ibrahim Stunden später seinen Rücktritt erklärte, applaudierten sie und riefen: "Gott ist groß! Es lebe die Gerechtigkeit! Es lebe die Unabhängigkeit der Justiz!"

Zuvor hatten weitere Richter erklärt, sie würden die zweite Runde der Volksabstimmung boykottieren. Damit wird deren Organisation immer schwieriger, weil Richter die Abstimmung überwachen müssen. Am vergangenen Samstag hatten in den Großstädten nach Angaben der Muslimbruderschaft 57 Prozent der Ägypter für die Verfassung gestimmt - deutlich weniger, als Mursi erhofft hatte. Dass am Samstag die Bürger mehrheitlich die Opposition unterstützen und gegen die Verfassung stimmen, ist aber unwahrscheinlich. Denn das Referendum findet nun in Regionen statt, in denen die Islamisten sehr stark sind.

Die Nationale Heilsfront, das größte Oppositionsbündnis, hat zu Demonstrationen im ganzen Land gegen die Verfassung aufgerufen. Außerdem forderte sie, den ersten Teil der Abstimmung zu wiederholen. In der Hauptstadt Kairo soll auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz eine Kundgebung stattfinden. In einer Erklärung schrieb die Heilsfront: "Nieder mit der Verfassung der Muslimbruderschaft. Nieder mit der Verfassung der Tyrannei."

Das offizielle Ergebnis des Verfassungsreferendums soll erst nach der Abstimmung am Samstag bekannt gegeben werden. Eine Zeitung hat allerdings ausgerechnet, dass von 100 Ägyptern 18 mit Ja und 13 mit Nein gestimmt haben. Die übrigen Ägypter hätten gar nicht erst teilgenommen.

Mursi hat für diesen Dienstag zu weiteren Gesprächen mit der Opposition eingeladen, allerdings dürfte die Heilsfront auch diese Beratungen boykottieren. Die Protestwelle begann, als Mursi sich am 22. November per Dekret eine besondere Macht verschaffte und seine Entscheidungen über die Justiz stellte. Als Reaktion auf die Proteste wurde die Ausarbeitung der Verfassung vorangetrieben, die die umstrittenen Mursi-Dekrete obsolet machen würde.

(APA/dpa)

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