Der designierte Herr im Weißen Haus macht den Washingtoner Insider Reince Priebus zu seinem Kabinettschef und den extrem rechten Publizisten Steve Bannon zum Chefstrategen.
Washington. „Wäre es Ihnen lieber, wenn Ihr Kind Feminismus oder Krebs hätte?“, fragte die rechtsextreme Website Breitbart News am 19. Februar dieses Jahres ihre Leser. „Empfängnisverhütung macht Frauen unattraktiv und verrückt“, hatte eine andere Schlagzeile schon drei Monate zuvor verkündet. Am 15. Mai wiederum griff ein anderer Breitbart-Autor den neokonservativen Publizisten Bill Kristol und Gegner Donald Trumps als „republikanischen Spielverderber und abtrünnigen Juden“ an. Und als die konservative „Washington Post“-Kolumnistin Anne Applebaum, die für ihre Studien der Gulags den Pulitzerpreis erhalten hatte, den Rechtsruck der polnischen Regierung unter Führung der PiS-Partei kritisierte, zeihte Breitbart sie am 27. September einer „Desinformationsoffensive gegen die antiglobalistische Rechte nach Art des Kreml“ und nannte sie eine „jüdische Elitistin“.
Der Mann, der für diese Form von Publizistik verantwortlich ist, wird ab 20. Jänner im West Wing des Weißen Hauses als Chefstratege persönlicher Berater des neuen US-Präsidenten Donald Trump arbeiten. Steve Bannon, Trumps letzter Wahlkampfleiter und zuvor Chef von Breitbart, wird gemeinsam mit Reince Priebus, den Trump zu seinem Kabinettschef ernannt hat, über den Zugang zum neuen Präsidenten wachen und die Grundzüge von dessen Politik gestalten.
Der 62-jährige Bannon trat nach seinem Schulabschluss in den Dienst der Navy, Während der Iranischen Revolution im Jahr 1979 war er als Navigationsoffizier im Persischen Golf tätig. Das blamable Scheitern des Versuchs, die US-Geiseln in der besetzten Botschaft in Teheran zu befreien, sollte einen lebenslangen Hass auf demokratische Politiker einpflanzen.
Antielitärer Goldman-Sachs-Veteran
Nach seinem Militärdienst arbeitete Bannon während der Präsidentschaft von Ronald Reagan eine Zeitlang im Pentagon, eher er in Georgetown und an der Harvard Business School studierte und Ende der 1980er-Jahre begann, für die Investmentbank Goldman Sachs in New York zu arbeiten. Später gründete er in Hollywood eine Investmentfirma, die im Zuge eines Geschäfts mit dem CNN-Gründer Ted Turner die Rechte an der Fernsehserie „Seinfeld“ erhielt. Damit hatte Bannon finanziell ausgesorgt: Bis heute verdient er jedes Mal Lizenzgebühren, wenn eine alte „Seinfeld“-Folge über den Bildschirm läuft.
Nach dem Platzen der Finanzblase im Jahr 2008 erkannte Bannon das populistische Potenzial einer antielitären Attitüde, die geschickt mit eher mehr als weniger verdeckten Botschaften an Rassisten und Antisemiten spielt. Er übernahm die Führung von Breitbart nach dem Herztod von dessen Gründer, Andrew Breitbart, und verschob dessen Stoßrichtung von herkömmlicher, rechtspopulistischer Kritik an der Washingtoner Blase in eine gezielte Provokation dessen, was er als moralisch verkommenes Establishment betrachtet. Dazu gehört auch, jüdische Autoren antisemitische Texte wie die eingangs erwähnten schreiben zu lassen. So glaubt Breitbart, sich des Vorwurfs des Judenhasses entledigen zu können.
Ausstieg aus Weltklimaabkommen naht
Der 44-jährige Priebus, bisher Vorsitzender der Partei, verkörpert paradoxerweise genau jenen Washingtoner Sumpf, den Bannon und Trump im Wahlkampf auszutrocknen gelobten. Er ist ein langjähriger enger Freund von Paul Ryan, dem Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses. Priebus und Ryan zierten sich monatelang, Trumps Kandidatur zur unterstützen. Doch ohne ihre Hilfe wird es für Präsident Trump kaum möglich, seine Wahlversprechen in Gesetzesform zu gießen – allen voran ein Budgetgesetz, das große Ausgaben für Infrastruktur und Steuersenkungen für Besserverdiener betrifft. Es ist zu erwarten, dass sich zwischen Kabinettschef Priebus und der grauen Eminenz Bannon ein eifersüchtiger Wettstreit darum entfacht, wer jeweils als Letzter Trumps Ohr hat.
Für ein Vorhaben braucht Trump den Kongress vermutlich nicht: Sein Stab prüft laut der Nachrichtenagentur Reuters bereits, wie Trump die USA am schnellsten aus dem Pariser Klimaschutzabkommen vom vorigen Jahr herausnehmen kann.
ZUR PERSON
Steve Bannon (62) wird
im Weißen Haus von Präsident Donald Trump Chefstratege sein. Der frühere Marineoffizier und Goldman-Sachs-Banker war Trumps letzter Wahlkampfleiter, davor führte er die rechtsextreme Website Breitbart News. [ Reuters ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)