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Konstantin Gropper: Die Geister von Marx, Darwin, Freud

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Philosophie im Zentrum eines Popalbums: Der deutsche Wunderknabe Konstantin Gropper, firmierend unter "Get Well Soon", steht dazu. Mit der "Presse" sprach er auch über Freiheit und Tod, Josef Winkler und Werner Herzog.

„Die Presse“: Woher kam die Idee, den Stoizismus zum Leitthema eines Popalbums zu machen?

Konstantin Gropper: Ich hatte schon einige Zeit so gewisse Themen im Kopf, dann fiel mir zufällig ein Werk von Seneca in den Schoß, das meine Überlegungen weiterführte. Da wurde mir klar, dass das eine spannende Sache sein würde, wenn ich mal versuchte, ein Album mit fremdem Material zu kreieren.

Seneca schrieb, dass „das größte Hemmnis des Lebens die Erwartung ist, die sich an das Morgen hängt und das Heute verloren gibt“. Kann es ein Leben ohne Hoffnung geben?

Gropper: Das ist natürlich ein Ideal. Der Stoizismus formuliert sehr einfach, ist sehr einleuchtend, aber letztlich ist es schwierig bis unmöglich, seinen Geboten gemäß zu leben. Sein Freiheitsbegriff – dass man an nichts hängen darf – aber ist einleuchtend. Es würde das Leben erleichtern.

Kann es sein, dass die Gedankenwelt der Stoa gerade in einer Wirtschaftskrise besondere Wirkung entfaltet?

Gropper: Viele Elemente des Stoizismus würden der kapitalistischen Gesellschaft guttun. Je mehr man das süße Leben probiert hat, desto schwieriger wird es freilich, sich davon fernzuhalten. Dennoch denke ich, dass man von dieser Sucht nach Wachstum wegkommen muss. Ich plädiere dafür, erstmal mit dem, was man hat, zufrieden zu sein.

Sie haben Ihr neues Album – im Gegensatz zum ersten – mit etlichen Musikern aufgenommen. Wieso diesmal kein Do-it-Yourself?

Gropper: Gewiss, von Streichern und Bläsern kann man sich heutzutage mit elektronischen Mitteln schon eine ziemlich exakte Vorstellung machen. Dennoch bleibt es immer noch Computerware, selbst wenn man die – tatsächlich existierende – Funktion „Humanize“ aktiviert, die Fehler und Unregelmäßigkeiten einbaut. An echte „Fehler“ echter Menschen kommt sie nicht heran. Durch die Arbeit des Streichquartetts ist mir meine Arbeit ein Stück fremder geworden. Das ist eigentlich das Schöne dran.

Worauf bezieht sich der Text des Songs „We Are Ghosts“?

Gropper: Auf das Gespenst im bekannten Marx-Zitat. Der Song kreist dann um die Epigonen der Aufklärung, Darwin, Freud und Nietzsche. Heute herrscht ja die Tendenz, dass man die Aufklärung ein bisschen verschweigt. Ich fand die Bilder vom Kirchentag in Köln ziemlich beängstigend: unglaublich, dass so viele junge Menschen wieder zu konservativen und rückschrittlichen Werten finden! Aus diesem Grunde geistern Marx, Darwin, Freud und Nietzsche in diesem Song herum.

Von welcher Art von Freiheit wird in „We Are Free“ geträumt?

Gropper: Tatsächlich von der stoischen Freiheit, die ja dem buddhistischen Denken durchaus ähnlich ist. Da wird postuliert: Die Verneinung der Welt ist der einzige Weg zur Freiheit. Das halte ich natürlich für unmöglich. Es wäre ein sehr hoher und bitterer Preis, den man da zahlen müsste.

Elisabeth Kübler-Ross war eine Inspiration für „5 Steps/7 Swords“. Worum geht es darin?

Gropper: Die fünf Stufen sind die fünf Stadien des Sterbeprozesses. Aber eigentlich ging die Inspiration für dieses Lied vom österreichischen Autor Josef Winkler aus, den ich in letzter Zeit viel lese. Diese Lektüre nimmt mich so mit, dass es deshalb ein Lied über den Tod auf dem Album gibt. Meine Recherchen über den Tod haben mich zu Kübler-Ross geführt, die ja angeblich das Standardwerk zum Sterben, wissenschaftlich betrachtet, geschrieben hat. Das hat mich aber enttäuscht, weil es gar nicht wissenschaftlich ist, sondern sehr blumig und metaphorisch.

Kübler-Ross hat an den Fortbestand von Seele und Geist nach dem Tod geglaubt. Und Sie?

Gropper: Nein. Ich würde es freilich nicht ausschließen. Man kann darüber eigentlich nichts sagen. Deshalb hab ich auch einen Song darüber geschrieben. Freud hat gesagt, dass man zum eigenen Tod kein Verhältnis haben kann. Kübler-Ross versucht so ein Verhältnis herzustellen, das zu einem Happy End nach dem Ableben führt. Das ist dann genau das, was jede Religion auch sagt. Da hätte ich gerne was Handfesteres.

Der angeschossene Werner Herzog kommt in einem anderen Lied vor. Wieso?

Gropper: Das ist tatsächlich passiert. Herzog gab der BBC in L.A. ein Interview und wurde dabei angeschossen. Dennoch sprach er weiter. Das kann man auf YouTube sehen. Diese Episode bringt diese große Künstlerpersönlichkeit ganz gut auf den Punkt. Herzog verfolgt fast immer unter Einsatz seines Lebens seine künstlerische Vision. Davor kann ich mich nur verneigen.

Im Internet fragte Sie ein Fan namens Laura, ob denn alle Musiker bei „Get Well Soon“ den gleichen Friseur hätten.

Gropper: Wir haben nicht alle den gleichen Friseur! Schon deshalb nicht, weil wir an recht verschiedenen Orten wohnen. Ich finde auch gar nicht, dass wir alle so ähnliche Frisuren haben. Aber ich muss zugeben, dass wir schon eher eine eitle Band sind. Frisuren sind uns nicht ganz egal.

GET WELL SOON

Konstantin Gropper, geboren 1982 in Biberach (Oberschwaben), veröffentlichte 2008 das Album „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“. Nun brachte er – als „Get Well Soon“ – das opulent arrangierte Album „Vexations“ heraus, das mit schwelgerischen Melodien besticht.

Live tritt er heute, Samstag, beim FM4-Fest in der Wiener Arena auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2010)

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