Rallye Dakar: Die Neuentdeckung Amerikas

(c) AP (Bruno Fablet)
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Im Jänner hatte die Wüsten-Rallye wegen Terror-Drohungen in Mauretanien abgesagt werden müssen. Nun versucht der Motorsport-Klassiker sein Glück in Südamerika.

BUENOS AIRES. Totenstill war es im komplett gefüllten Auditorium des Kulturzentrums in Belém bei Lissabon geworden, ehe Rallye-Direktor Etienne Lavigne das Wort ergriff und von einer schrecklichen Nachricht sprach: „Die Rallye Dakar 2008 ist abgesagt.“ Das war am 4. Jänner 2008. Der französische Veranstalter Amaury Sport Organisation (ASO) war einer Empfehlung der Regierung in Paris und einem Appell an die „raison d'État“ gefolgt, nach der Ermordung von französischen Touristen am 24. Dezember 2007 und Anschlagsdrohungen der al-Qaida auf die Rallye zu verzichten.

Schnell machte das Gerücht die Runde, die Dakar könnte 2009 mit der senegalesischen Zielstadt Dakar nichts mehr zu tun haben. Ungarn brachte sich als Gastgeber ins Spiel, ehe die ASO am 2. Februar verkündete, man habe Amerika für die Rallye entdeckt. Das Spektakel werde von 3. bis 18. Jänner in Argentinien und Chile mit Start- und Zielort Buenos Aires stattfinden.

Das Echo auf die Verlegung war überraschend: Bereits Anfang Juli waren alle Startplätze (230 Motorräder, 30 Quads, 188 Autos und 82 Trucks) vergeben, was der ASO mehr als zehn Millionen Euro an Nenngeldern einbrachte.

Kommenden Samstag schlägt die 1978 von Thierry Sabine begründete Rallye ein neues Kapitel auf: Die 9.574 km lange Route soll der Strecke durch Afrika um nichts nachstehen. Im südamerikanischen Sommer werden 530 Teams aus 49 Nationen (darunter die vier österreichischen Lkw-Piloten Peter Reif, Günter Pichlbauer, Andreas Hölzl und Matthias Vetiska) unter anderem in mehr als 4.700 Meter Höhe die Anden passieren, die argentinische Pampa, die Hochebenen Patagoniens und die Atacama-Wüste durchqueren. „Es wird“, betonte Lavigne, „eine 100-prozentige Dakar sein.“

Aufschrei der Archäologen

So traditionell wie das Motorsportereignis sind die Proteste, die es begleiten. Diesmal waren nicht die Naturschützer am lautesten, diesmal machten die Archäologen das Rennen. Norma Ratto, die Präsidentin des argentinischen Archäologenverbandes, meinte in Hinblick auf die von der Regierung gepriesenen wirtschaftlichen Vorteile der Rallye: „Wir lassen uns immer noch Glasperlen andrehen.“ Argentinien und Chile erhoffen positive Effekte für die Wirtschaft und großen Werbeeffekt für den Tourismus.

Ratto sieht bislang archäologisch nicht untersuchte Flächen gefährdet, ebenso die Tier- und Pflanzenwelt. Argentiniens Regierung aber dementierte: Die Strecke sei untersucht worden, 80 Prozent würden über bestehende Nebenwege und Pisten, nur 20 Prozent durch freies Gelände führen.

Kampf um Afrikas Wüste

Die wahren Hintergründe, warum die ASO, die unter anderem auch die Tour de France ausrichtet, die Dakar 2008 absagte, bleiben aber weiter unklar. Tatsächlich scheint die Terrorgefahr in den betreffenden nordafrikanischen Ländern überschaubar: Jene Rallye, die alljährlich von Budapest über Brescia, die französische und spanische Mittelmeerküste entlang durch Marokko bis Bamako in Mali führt, konnte wenige Tage nach der abgesagten Dakar 2008 problemlos abgewickelt werden.

Afrikas Pisten bleiben auch heuer nicht von Rallyefahrzeugen verschont. Ex-Dakar-Sieger Hubert Auriol, der auch als Direktor der Dakar fungierte, nützt das Vakuum und startet heute, Dienstag, das „Africa Race“, eine Rallye, die von Marseille nach Dakar führt. Wenig später, ab 17. Jänner, ist dann auch wieder der Tross der „Budapest–Bamako“ unterwegs.

Nicht ausgeschlossen scheint, dass die ASO die Dakar 2010 zurück nach Afrika bringt. Angedacht ist ein Kurs, der weiter östlich verläuft: Tunesien, Libyen und Ägypten, wohin die Dakar schon einmal ausweichen musste, könnten neue Zielgebiete sein. Vorerst aber sind die 530 Teams in anderer Mission unterwegs: Sie wollen Amerika neu entdecken.

AUF EINEN BLICK

Die Dakar-Rallye hatte im Jänner 2008 wegen Terrordrohungen der al-Qaida abgesagt werden müssen. Die französische Veranstalterorganisation ASO verlegte die Extremrallye daher nach Südamerika. Am kommenden Samstag startet das Abenteuer in Buenos Aires, wo am 18. Jänner auch der Zieleinlauf geplant ist. Vier österreichische Lkw-Piloten sind diesmal am Start.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2008)

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