U-Ausschuss: Grüne arbeiten "für Gottes Lohn"

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Die grüne U-Ausschussvorsitzende Gabriela Moser befürchtet politische Spielchen der anderen Parteien, glaubt aber dennoch an Ergebnisse. Österreich sieht sie für Korruption anfälliger oder offener als Deutschland.

Die Presse: Der Korruptions-U-Ausschuss ist mit einer monströsen Themenanhäufung konfrontiert. Wie groß ist die Gefahr, dass nichts herauskommt?

Gabriela Moser: Gering, sieben Themen reichen wohl, aber ich werde dafür sorgen, dass der Untersuchungsauftrag eingehalten wird.

Was kommt im günstigsten Fall heraus?

Eine Konsequenz haben wir jetzt schon: das Medientransparenzgesetz. Schon im Vorfeld des Ausschusses hat das Parlament aufgrund des Ausschussgegenstandes – Inseratenschaltungen der Ministerien, Inseratenaffäre um Werner Faymann – diesen Missstand aufgegriffen. Ein zweites Ergebnis wäre ein neues Parteienfinanzierungsgesetz, ein drittes eine Verbesserung des Korruptionsstrafrechts. Und ein viertes Gesetz, das wir verhandeln, ist das Lobbyistengesetz.

Wird ein Fall Ernst Strasser nach dem U-Ausschuss in Österreich noch möglich sein?

Wenn strengere Gesetze kommen, wäre ein Fall Strasser, der auf EU-Ebene spielt, hier nicht mehr so leicht möglich. Oder es wird einen solchen Fall einfach nicht mehr geben, denn es geht ja auch darum, gesellschaftliches Bewusstsein zu schärfen.

Wie profilierungssüchtig sind die Grünen – angesichts des Ausschussvorsitzes?

Ich bekomme Anrufe von Medien, aber ich selbst rufe nicht an. Daraus ist abzuleiten: Hier liegt keine Profilierungssucht vor.

Aber es könnte die Stunde der Grünen werden ...

Ja, sicher, das hat sich abgezeichnet, weil wir seit der schwarz-blauen Ära immer den Daumen in der Korruptionswunde hatten, selbst nicht in Korruption verwickelt sind, obwohl wir in verschiedenen Städten und Ländern Regierungsverantwortung haben.

Erstes Sachthema im U-Ausschuss wird die Telekom-Affäre sein, es soll um politische Verantwortung gehen – mit einem üblichen Verdächtigen ...

Das Finanzministerium war der ÖIAG übergeordnet, und die ÖIAG ist Hauptaktionär bei der Telekom. Finanzminister war damals, als laut Telekom-Revisionsbericht die größten Korruptionsvorgänge passiert sind, bekanntlich Karl-Heinz Grasser ...

... der nicht aussagen will, solange strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn laufen.

Das war abzusehen. Es widerspricht allerdings seiner ursprünglichen Aussage, dass er sich einen U-Ausschuss herbeiwünscht, um zu zeigen, wie unschuldig er ist.

Und die Telekom hat bisher keine Akten geliefert.

Wir hoffen, dass sie bald Akten übermittelt. Die Akten, die wir von der Justiz haben, sind schon sehr relevant.

Halten Sie Österreich eigentlich für besonders korrupt und verludert?

Allein wenn man die Gesetze anschaut, ist Österreich für Korruption sicher anfälliger oder offener als Deutschland oder die Schweiz, wo die Antikorruptionsregeln strenger sind. Dass deshalb in Österreich, umgelegt auf die Bevölkerungszahl, mehr Korruption stattfindet, wage ich nicht zu sagen. Aber die Vermutung liegt nahe.

Rechnen Sie damit, dass sich Rot und Schwarz im Ausschuss gegenseitig decken?

Das wird zum Teil sicher passieren. Allerdings hat auch schon die Ausschuss-Themenauswahl gezeigt: Wenn ein Thema mehr die eine Hälfte betraf, musste ein anderes Thema dazugenommen werden, in das die andere Hälfte involviert war. Das war ein Gleichgewicht des Schreckens im negativen Sinn.

Könnte der U-Ausschuss von ÖVP und FPÖ genützt werden, um sich nicht nur bei den Untersuchungen zur schwarz-blauen Ära zu schützen, sondern auch, um eine neue schwarz-blaue Regierung quasi vorzubereiten?

Das kann sein. Aber das will ich nicht vorab unterstellen. Es wird sicher immer wieder Allianzen geben. Wir sind nicht in einem Vakuum politisch tätig, sondern geradezu im Auge des Taifuns verschiedener Vorwahlinteressen unterschiedlicher Parteien.

Welche Vorwahlinteressen haben die Grünen?

Aufdecken, aufklären und reformieren.

Und das soll sich in Wählerstimmen bezahlt machen?

Wir arbeiten bis jetzt wirklich um Gottes Lohn, was das angeht. Hoffentlich wird der Wähler das künftig anerkennen.

Auf einen Blick

Gabriela Moser (57), karenzierte AHS-Lehrerin (Deutsch, Geschichte), startete ihre politische Karriere 1985 in Linz. Seit 1997 ist sie durchgängig im Nationalrat. Als U-Ausschuss-Vorsitzende bearbeitet sie die Themen Telekom, Buwog, Blaulichtfunk, Inseratenvergabe, Glücksspielgesetz, Staatsbürgerschaftskauf. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2012)

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