Günther Groissböck: „Wenn die Met anklopft, ist es Zeit“

Günther Groissböck, Staatsoper
Günther Groissböck, Staatsoper(c) Michael Poehn / Wiener Staatsoper
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Im neuen Staatsopern-„Lohengrin“ gibt Günther Groissböck am Samstagabend den König Heinrich. In Salzburg ist er der Ochs auf Lerchenau im „Rosenkavalier“.

Mit Ausnahme Londons geht es mir überall gut“, sagt Günther Groissböck und lacht. Das Royal Opera House Covent Garden, ergänzt er, „ist der einzige blinde Fleck“ in seiner Biografie. Im Übrigen hat der Bassist aus Waidhofen an der Ybbs so gut wie überall gesungen, wo man gesungen haben muss, wenn man sich als Teil des illustren Welt-Opern-Ensembles fühlen möchte.

Selbst würde ihm eine solche Bezeichnung wohl nie über die Lippen kommen. Groissböck wirkt im Gespräch so „geerdet“, wie sich's für einen Vertreter des profunden Vokalregisters gehört. Aber sein Gegenüber denkt natürlich die internationalen Erfolge mit, wenn es um Rückschau und Ausblick geht. 2002/03, am Beginn seiner Karriere, war Groissböck Mitglied des Wiener Staatsopernensembles, dann verschlug es ihn nach Zürich. Aus guten Gründen.

Erst Wassermann, dann Ochs . . .

Hie und da bekommt man ja kleine Fingerzeige des Schicksals. Wahrscheinlich hatte es etwas zu bedeuten, dass der erste Auftritt Groissböcks nach seinen Studien in der Wiener Kammeroper in einer Aufführung von Peris „Euridice“ erfolgte: „Das ist die erste Oper, die überhaupt überliefert ist“, sagt er, nicht aufs Barocke spezialisiert, sondern längst in den Regionen der großen romantischen Basspartien angekommen: An der Staatsoper war er zuletzt der Wassermann in Dvořáks „Rusalka“, im „Lohengrin“ gibt er nun den König Heinrich, bei den Salzburger Festspielen ist er der Ochs auf Lerchenau im neuen „Rosenkavalier“.

Das hätte er sich vor etwas mehr als einem Jahrzehnt auf der kleinen Bühne der Kammeroper noch nicht träumen lassen. Da hatte er gerade den Wettbewerb Gradus ad parnassum gewonnen – „immerhin gegen harte Konkurrenz“, wie er sich erinnert, „auch Genia Kühmeier war damals dabei.“ Im darauffolgenden Jänner gab es ein Vorsingen im Haus am Ring. In der ersten Runde war Elisabeth Sobotka in der Jury, die schon auf dem Sprung nach Berlin ins Chefbüro der Lindenoper war. Ioan Holender befand damals in Runde zwei, der junge Mann würde ins Staatsopern-Ensemble passen. „Seiji Ozawa war auch dabei“, erinnert sich Groissböck, „ich sah ihn nur wild gestikulieren, während ich sang. Das war offenbar ein gutes Zeichen.“ Ein Stipendium des damals noch aktiven Karajan Centrums ermöglichte das Engagement für 2002/03. Doch Sobotka dachte schon weiter und lockte zur Übersiedelung nach Berlin. „Aber da dachte ich: Puh, das ist doch eine Nummer zu groß. Unter den Linden waren ja René Pape und Kwangchul Youn im Engagement . . .“ Währenddessen „hat es in Wien begonnen, wie es halt so beginnt“, sagt er, „mit vielen Cover-Verpflichtungen für Partien, bei denen man denkt: Es ist besser, wenn du da nie wirklich auf die Bühne musst. Man lernt viel Zeugs, bei dem es total unrealistisch ist, dass man je einspringen wird. Allein, wenn ich an den Truffaldin in der Ariadne denke.“

Dergleichen lässt sich nicht im Trockenkurs studieren. Auch wer die Noten perfekt beherrscht, weiß sich ins Räderwerk der Musik und der heikel choreografierten Ensemble-Szenen ohne ausgiebige gemeinsame Proben kaum einzufügen: „Strauss schreibt ja Musik des 20. Jahrhunderts“, gibt Groissböck zu bedenken, „auch wenn das so leicht klingen mag!“

Die Berliner Lockungen wurden in der Zwischenzeit überdeckt durch ein Angebot Alexander Pereiras, damals Opernchef in Zürich. Er wollte Groissböck für mehrere Spielzeiten verpflichten. Ein Stipendium inklusive. Das schien die rechte Option: „Da war dann schon der Sarastro dabei“, erzählt der Bassist, „und der Nachtwächter in den Meistersingern, von dem ich ehrlich sagen muss: Der hat mich nach Bayreuth zu den Festspielen gebracht, denn in einer der Aufführungen war Katharina Wagner anwesend, die mich dann zum Vorsingen geladen hat.“

Die Folgen eines Geburtstagsständchens

Während er sich in Zürich sein Repertoire erobern konnte, gab es genügend Gelegenheit, erste internationale Angebote anzunehmen. Die Faustregel dabei lautet: „Wenn das erste Mal die Met anklopft, ist es Zeit für den Absprung.“ New Yorks Opernhaus rief 2007, andere bedeutende Häuser folgten. Aus dem Mann aus Waidhofen, dessen Stimme Freunde entdeckten, weil er auf einer Geburtstagsparty – „zu vorgerückter Stunde“ – einmal aus sich herausging und prächtig sang, ist ein international gefragter Sänger geworden.

Mittlerweile sind die Angebote so dicht, dass es heißt: „Aufpassen! Ich habe eine vierjährige Tochter und möchte den Radius so halten, dass ich nicht dauernd unerreichbar weit weg bin.“ Gesucht wird ein Lebensmittelpunkt, gut ans internationale Netz angebunden, von dem aus man überall rasch hinkommt. Im Ernstfall auch nach London . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

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