Nordkorea: Und wieder einmal droht Pjöngjang mit Krieg

A North Korean Army soldier watches the South Korean side
A North Korean Army soldier watches the South Korean side(c) AP (Ahn Young-joon)
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Säbelrasseln vor der Amtseinführung von US-Präsident Obama: Pjöngjang will Nachbarn Südkorea "auslöschen". In Aussicht gestellt wurden Kämpfe vor allem an der umstrittenen Seegrenze.

TOKIO/SEOUL. Zwischen beiden Koreas herrscht politisch zwar nicht eitel Sonnenschein, aber die Drohung kommt doch etwas unvermittelt: Man werde die Regierung Südkoreas „auslöschen“, teilte ein Offizier im Staatsfernsehen mit. Als Begründung für die öffentliche Kampfansage führte der grimmig in die Kamera schauende Militärsprecher an, die „Verräter“ in Seoul verweigerten die nationale Aussöhnung mit Pjöngjang und deshalb müsse dessen Armee aus Vergeltung „vollständig auf Konfrontationskurs“ gehen. Der Generalstab der KDVR-Volksarmee halte eine offene militärische Auseinandersetzung für unvermeidlich. Südkoreas Staatschef und seine „Kriegshetzer-Marionetten“ würden Nordkoreas „Revolutionäre Streitkräfte dazu zwingen, sie zu vernichten“.

In Aussicht gestellt wurden Kämpfe vor allem an der zwischen beiden Staaten umstrittenen Seegrenze im Westen der geteilten Halbinsel. Schiffe der südkoreanischen Grenzkontrolle haben in den vergangenen Tagen wiederholt nordkoreanische Fischerboote aus den Teilen des ostchinesischen Meeres vertrieben, die Seoul als nationale Territorialgewässer betrachtet.

Kriegerische Verbalschläge aus Pjöngjang gab es in den mehr als 55 Jahren nach dem Ende des Koreakrieges wahrlich oft, meist blieben sie allerdings ohne militärische Konsequenzen. Aber die Führung in Seoul nimmt solche Attacken stets sehr ernst. Der Generalstab in Seoul rief die südkoreanischen Streitkräfte zu „erhöhter Wachsamkeit“ auf. Südkoreanische Experten schließen bisher die Vermutung aus, dass in Pjöngjang eine Gruppe aggressiver Generäle die Schwäche von Diktator Kim Jong Il nach dessen vermutlich zwei Schlaganfällen für einen Kurswechsel ausnutzt oder gar die Macht an sich reißen will.

Einsatz im Atompoker erhöht

Der Grund für das neuerliche Säbelrasseln wird in der bevorstehenden Amtseinführung des US-Präsidenten Barack Obama gesehen. Da Nordkoreas Anfrage, zu diesem Anlass einen Vizeaußenminister nach Washington zu entsenden, zurückgewiesen wurde, wolle Pjöngjang nun offensichtlich testen, wie die neue Administration im Weißen Haus zu Nordkorea steht, hieß es in Seoul. Die designierte US-Außenministerin Hillary Clinton will zudem härter gegen Pjöngjang vorgehen.

Mit Kriegsdrohungen wolle das Kim-Regime den Druck für weitere Zugeständnisse im Poker um seine Atomanlagen erhöhen. Nordkoreas Außenministerium hat jüngst erklärt, die Abschaffung seiner Kernwaffen von der Auflösung des „nuklearen Schutzschirms“ der USA über Südkorea abhängig zu machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2009)

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