Katja Riemann: "Liebe ist gar nicht greifbar"

(c) Dapd (Berthold Stadler)
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In ihrem aktuellen Kinofilm spielt Katja Riemann an der Seite von Olli Dietrich gleich mehrere sehr unterschiedliche Frauen. Im Interview mit der »Presse am Sonntag« spricht sie über die Vorbereitung auf ihre Figuren.

Eine Esoterikerin, eine Lebensmüde, eine Frau mit Kinderwunsch: Im Kinofilm „Die Relativitätstheorie der Liebe“ (Regie: Otto Alexander Jahrreiss) spielt die Deutsche Katja Riemann (48), teilweise dank Maske und Kostüm kaum erkennbar, gleich mehrere Rollen, ebenso wie Ko-Star Olli Dietrich.

Einen Film zu machen, sagten Sie einmal, sei wie ein Kind zur Welt zu bringen. Hier haben Sie dann ja quasi Fünflinge bekommen

Katja Riemann: Ich hatte während der Vorbereitung manchmal das Gefühl, der Brocken ist zu groß, den kriege ich nicht so richtig runtergeschluckt. Ich musste sehr pingelig sein: Sobald es Überschneidungen in der Gestik oder der Sprache gibt, verwässern die einzelnen Figuren und verlieren ihre Präzision. Und die braucht man, weil die Figuren trotz des so langen Films relativ kurz auftreten.

Die Geschichten aller fünf Frauen haben mit Liebe zu tun, aber auch mit Einsamkeit. Wie würden Sie die Figuren beschreiben?

Peggie ist ja quasi die Selbstmörderin unter den Frauen, die Angst vor ihrer eigenen Courage hat und darum ihre Fenster beklebt, weil sie sonst irgendwann rausspringen würde. Das ist letztendlich die tragische Figur, deswegen ist sie so herzerwärmend. Sie geht mit dieser Einsamkeit still um und ist leidensfähig. Alexa ist ja nicht einsam, sondern sie ist Single. Da muss man schon unterscheiden! Denn sie hat ja echt tolle Eltern, die einem zwar auf den Keks gehen können, denn ihre Mutter ist eine richtig leidenschaftliche „Mama“, Gabriela. Bei der Einsamkeit von Eva, der Yogadame, waren der Regisseur und ich unterschiedlicher Meinung. Er macht sich gern über spirituelle Dinge lustig, ich habe es seriöser gesehen: Sie hat das Bedürfnis nach dem Nirwana, will den Körper überwinden. Das ist dann nicht Einsamkeit, sondern die Sehnsucht nach Auflösung.

Welche der Rollen mochten Sie besonders gern?

Wenn ich fünf Kinder hätte, würden Sie mich jetzt nicht fragen, welches mein Lieblingskind ist! (Lacht.)

Sie sind teilweise nicht zu erkennen. Wie lange dauerte diese Verwandlung? Wie viel Mut zur Hässlichkeit forderte es Ihnen ab?

Im besten Fall ist das Äußere eine Spiegelung von einem inneren Vorgang. Das Schminken hat bis zu drei Stunden gedauert. Ich habe mich schon immer sehr präzise mit der äußeren Hülle eines Charakters beschäftigt. Bei Peggie, der Lebensmüden, kommt eine Sache dazu, die ich mitbringen konnte: Ich bin auch stark kurzsichtig, ich habe fast sechs Dioptrien. Daher habe ich mir bei einem Billig-Optiker diese Brille machen lassen, mit einem schweren Gestell und dem einfachsten Glas. Durch diese dicken Gläser werden die Augen winzig.

Sind Sie in voller Verkleidung auch manchmal auf die Straße gegangen, um die Wirkung auszuprobieren?

Natürlich! Als Peggie hatte ich so etwas von Ruhe, dass es schon fast betrüblich war. Es ist unglaublich, wie viel Stellenwert Sexyness und Schönheit in unserer Gesellschaft haben. Gleich am ersten Drehtag bin ich in Maske zum Drehort, einer Bowlingbahn, zu Fuß hinspaziert. Als ich da auftauchte, schrie unser Aufnahmeleiter ins Walkie-Talkie: „Ich habe euch doch gesagt, ihr sollt keine Fremden hier reinlassen!“

Der Titel des Films klingt ja hochwissenschaftlich. Haben Sie die Relativitätstheorie der Liebe, die ja hier erklärt wird, denn verstanden?

Ich finde sie ja wahnsinnig kompliziert. Ich habe mir das angehört und jedes Mal gedacht: „Jetzt habe ich schon wieder den Faden verloren.“

Wie würden Sie Liebe erklären?

Oh Gott, ich kann Ihnen das nicht beantworten. Es gab doch früher diese kleinen „Liebe ist...“-Radiergummis, mit Adam und Eva ganz nackt und etwas pummelig drauf. Aber ich würde dahinter nicht drei, sondern nur einen Punkt machen: „Liebe ist.“

Ist Liebe für Sie eher Arbeit, Zufall oder Schicksal?

Wenn ich das wüsste, dann würde ich hier nicht sitzen, sondern hätte schon ganz viele Nobelpreise (lacht). Gott sei Dank wissen wir es ja nicht, deswegen werden immer wieder Bücher darüber geschrieben und Filme gemacht. Ich weiß es nicht, ich habe überhaupt keine Formeln dafür. Liebe ist für mich gar nicht greifbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2011)

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