Deutschland bleibt auf Staatsanleihen sitzen

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Alarmsignal für die Eurozone: Jetzt hat auch Deutschland Probleme, seine Anleihen in vollem Umfang zu verkaufen. Analysten sprechen von einem „Misstrauensvotum gegen den Euro“.

Wien/Jil/Weber. Bisher galten deutsche Staatsanleihen bei Investoren als Fels in der Brandung. Kriselte es in Griechenland oder Italien, rissen die Investoren den Deutschen ihre Papiere aus der Hand. Gestern war plötzlich alles anders: Deutschland blieb bei einer Auktion neuer zehnjähriger Anleihen auf mehr als einem Drittel des Angebots sitzen. Von den angebotenen sechs Mrd. Euro konnte die für die Auktionen zuständige Finanzagentur der Bundesrepublik nur 3,64 Mrd. Euro an den Mann bringen.

Die durchschnittliche Rendite der Papiere lag bei 1,98Prozent. Es war das erste Mal, dass sie bei einer Erstausgabe deutscher Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit unter zwei Prozent lag. Dies könnte ein Grund für die Zurückhaltung der Anleger sein. OeNB-Direktor und EZB-Direktoriumsmitglied Ewald Nowotny spricht dennoch von einem „Alarmsignal“.

Der Analyst Marc Ostwald von Monument Securities sieht in dem Ereignis ein „Desaster“: „Das hat schon etwas mit den sehr niedrigen Renditen zu tun. Aber es ist auch ein Hinweis darauf, dass die Finanzmärkte generell angespannt sind. Und zum Teil hat es auch damit zu tun, dass Anleger den Euro meiden.“

Als Reaktion auf die verpatzte Auktion stiegen die deutschen Renditen am Mittwoch auf über zwei Prozent, der Euro fiel auf ein Sechs-Wochen-Tief von 1,338 Dollar. Der Sprecher der deutschen Finanzagentur, Jörg Müller, versucht gegenüber der „Presse“ zu beruhigen: Es sei dieses Jahr schon neun Mal vorgekommen, dass man nicht alle Papiere platzieren konnte. Die Menge der nicht platzierten Anleihen war bisher allerdings immer deutlich geringer. Die Finanzagentur behält in der Regel bis zu 20Prozent der Anleihen zurück, die sie zur „Marktpflege“ am Sekundärmarkt verkauft. Nun muss sie dort aber 39Prozent der Mittwochstranche loswerden. Eine derart hohe Quote gab es seit Juli 1999 nicht. Trotzdem: „Von einem geringen Appetit auf deutsche Staatsanleihen kann keine Rede sein. Ein Problem für die Finanzierung unseres Haushalts besteht nicht“, so Müller. „Der Markt ist extrem nervös. Versicherungen auf Staatsanleihen sind mittlerweile so teuer, dass sich die Investments kaum mehr lohnen.“

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Slowenien will sich in Dollar verschulden

Die Nachricht von der geplatzten Bond-Auktion kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Lage in der Eurozone kaum angespannter sein könnte. Deutsche Bonds gelten als Benchmark, alle anderen Anleihen in Europa werden mit ihnen verglichen. Die geringen Renditen können nicht der Hauptgrund für die fehlende Nachfrage sein, sagt Helaba-Analyst Ralf Umlauf: „Schließlich sind die Emissionen der vergangenen Monate bei ähnlichen Zinsen problemlos durchgegangen. Wir werten das als Misstrauensvotum gegen die Eurozone. Denn im Hintergrund schwingt die Frage mit: Wer soll das bezahlen? Die letzte Bastion der Eurozone wird infrage gestellt.“ Die missglückte Auktion könnte ein Hinweis auf Zweifel am Euro-Rettungsprogramm der EU sein. Deutschland trägt den größten Teil der bisherigen Rettungsmaßnahmen und hat auch die größten Garantien abgegeben. Das Übergreifen der Schuldenkrise auf Italien hat Zweifel gestärkt, dass die solventen Euroländer die überschuldeten gar nicht retten können, weil ihnen das Geld fehlt.

Die Ratingagentur Fitch hat mit einer Herabstufung Frankreichs gedroht. Der EFSF-Schutzschirm findet am Markt bisher kein Geld für die geplante Erweiterung des Fonds auf mehr als eine Billion Euro. Und kleinere Eurostaaten ächzen unter hohen Zinsen und gescheiterten Bond-Auktionen. So musste Ungarn vergangene Woche eine Auktion absagen. Die Slowakei konnte nicht einmal fünfjährige Anleihen im Wert 150 Millionen Euro anbringen – ein weiteres Misstrauensvotum gegen die Eurozone, denn mit 41Prozent Staatsschuldenquote steht die Slowakei relativ gut da. Das slowenische Finanzministerium hat angekündigt, Anleihen in Zukunft in Dollar, Franken oder Yen begeben zu wollen – sollte die nächste Auktion am 6.Dezember platzen.

Krugman lobt Österreich

Auch US-Ökonom Paul Krugman vermutet, dass die Märkte schon einen Eurozerfall einpreisen. Sein Argument: Sonst dürften die Renditen auf österreichische Anleihen nicht gleich schnell steigen wie jene auf französische. „Österreich hat eine sehr erfolgreiche Wirtschaft und eine niedrige Arbeitslosenrate“, lobte Krugman in seinem Blog.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2011)

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