Chris Pichler überhebt sich an Marilyn Monroe

Chris Pichler ueberhebt sich
Chris Pichler ueberhebt sich(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
  • Drucken

Ein-Frau-Abend über die Monroe, charmant verunglückt. „Entsetzlich“ murmelte ein Besucher bei der Marilyn-Premiere am Freitag im Josefstädter Theater. Das ist übertrieben.

Wagemutig ist es, einen Abend über Marilyn Monroe zu gestalten und diesen dann auch noch „Ich - Marilyn“ zu betiteln. Wer kann der Monroe das Wasser reichen? Selbst Michelle Williams im letzten Monroe-Film „My Week with Marilyn“ von Simon Curtis (2011) vermochte keineswegs alle zu begeistern – und da konnte man sich auf den Film stützen, der oft ein stärkeres Medium der Simulation als Theater ist. Chris Pichler hat Erfahrung mit Legenden. Sie revitalisierte mit einiger Verve bei einem Soloabend Romy Schneider – und spielte bei den Festspielen in Reichenau im Südbahnhotel am Semmering ein weiteres Objekt der Begierde: die Kindfrau Lina Loos.

Mehr bemüht als überzeugend

„Entsetzlich“ murmelte ein Besucher bei der Marilyn-Premiere am Freitag im Josefstädter Theater. Das ist übertrieben. Die Aufführung ist wohldurchdacht und tadellos ausgeführt. Aber vom Flair des Originals bleibt nicht viel übrig, es ist sozusagen mehr Chris als Marilyn, was hier zu sehen ist. Je weniger man weiß von der Legende, umso mehr wird man das hier Gebotene schätzen können. Erzählt wird halbwegs die vollständige Geschichte: Vom süßen Pin-up-Girl zur tief frustrierten Künstlerin, vom permanent flirtenden Flittchen, das angeblich keine Nacht ohne einen Mann im Bett verbrachte, sich aber aus Sex nicht wirklich etwas machte, zum melancholischen Weltstar.

Chris Pichler versteht sich aufs Beineschwingen, Stöckelschuhewerfen, aufs Zwitschern, Lächeln. Interessant ist die Aufführung vor allem dort, wo aus dem Bild Marilyn die Person hervortritt. Allerdings hätte hier ein professionelles Team etwa unter Einsatz von Hyperrealismus oder anderen Stilmitteln wie sie z. B. Johann Kresnik bei seiner Ulrike-Meinhof-Erkundung wählte, mehr entwickeln können als eine Schauspielerin. Man pflegt heute Stars eher kulturgeschichtlich als mit ihren oft schematischen subjektiven Dramen zu erklären. Immerhin, wir sehen die junge Marilyn im Konkurrenzkampf gegen Vorläuferin Jean Harlow, die zur Femme fatale heranreifende Elizabeth Taylor oder die herzige Judy Garland. Die Emanzipationsversuche der Monroe von der Filmbranche, ihre immer neuen Anläufe, von Männern und Ehemännern als etwas anderes wahrgenommen zu werden denn als Sexbombe gewinnen Kontur.

Dies alles ist freilich nicht wirklich neu. Selbst die echte Marilyn hat, wie man in alten Filmausschnitten auf YouTube sehen kann, in der Inszenierung wie als Typ leicht museale Züge angenommen. Sex-Appeal schaut spätestens seit Sex-and-the-City einfach anders aus. Alles in allem: mehr bemüht als überzeugend. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.