Der große Kunst-Coup von Paris

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grosse KunstCoup Paris(c) EPA (PHILIPPE DE POULPIQUET)
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Bilder im Wert von hunderten Millionen aus städtischem Museum gestohlen. Offenbar waren die Werke nur durch ein Fenstergitter und ein Schloss gesichert. Die Alarmanlage war defekt.

Der bisher größte Kunstraub des 21. Jahrhunderts und sicher einer der größten der jüngeren Geschichte wurde in der Nacht auf Donnerstag in Paris verübt: Aus dem Städtischen Museum für Moderne Kunst wurden fünf Werke großer Künstler gestohlen. Schätzwert laut Polizei: rund eine halbe Milliarde Euro.

Das Vorgehen der Täter war von einer Banalität, die im krassen Kontrast zum ungeheuren Wert der Bilder steht: Offenbar mussten die Einbrecher bloß das Schutzgitter eines Fensters auf der Hinterseite des Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris (MAM) entfernen und ein Schloss knacken, um ins Innere eindringen zu können.

Von Matisse bis Picasso

Dort bedienten sie sich mit Kennerblick und ließen nur ausgewählte Werke mitgehen: Pablo Picassos „Le pigeon aux petits pois“ von 1912, „La pastorale“ (1906) von Henri Matisse, Georges Braques „L'olivier près de l'Estaque“ aus dem Jahr 1905, eines von Amedeo Modiglianis berühmten Frauenporträts von 1919 mit dem Titel „La femme à l'éventail“ sowie Fernand Légers Stillleben „Nature Morte aux chandeliers“ von 1922.

Der Einbruch war am Vormittag kurz vor sieben Uhr vom Personal bei einem Rundgang in den weitläufigen Räumlichkeiten entdeckt worden. Seither ist das MAM an der Avenue de Président Wilson geschlossen, die Polizeibrigade zur Bekämpfung von Bandenverbrechen ist auf Spurensuche.

Gestalt auf Überwachungsvideo

Die einzige Spur ist bisher die Aufzeichnung einer Videokamera, auf der ein nächtlicher Eindringling zu sehen ist. Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe teilte mit, die Alarmanlage des Museums sei seit dem 30. März in einigen Räumen defekt gewesen. Der Betreiber des Sicherheitssystems habe Ersatzteile bestellt, vom Hersteller aber noch nicht geliefert bekommen.

Über den Wert der geraubten Bilder entspann sich eine Debatte: Der Einschätzung der Polizei stellte der Vizechef des Kulturamtes von Paris, Christophe Gerard, später entgegen, dass sie zu hoch gegriffen sei; realistischer seien 100 Millionen Euro, der Picasso etwa sei 23 Millionen wert. Andere Kunstexperten meinen, der Wert müsse erst noch geklärt werden.

Einmal mehr stehen nach diesem Riesenraub die Sicherheitsvorkehrungen in Museen zur Diskussion. So wurde vor knapp einem Jahr im Pariser Picasso-Museum während der Öffnungszeit ein Heft mit Zeichnungen des Spaniers Picasso im Wert von rund 50 Millionen Euro entwendet. Der Dieb profitierte vom außerordentlichen Umstand, dass damals in dem Museum Renovierungsarbeiten im Gang waren und die Aufsicht weniger rigoros war.

Zu Jahresbeginn waren aus einer Villa bei Toulon 30 Bilder, darunter ein Picasso, gestohlen worden, zwei Tage zuvor war eine Pastellzeichnung von Edgar Degas, eine Leihgabe des Pariser Musée d'Orsay, aus dem Cantini-Museum in Marseille verschwunden.

Direktor: „Täter sind Idioten“

Die Sammlung des 1961 eröffneten MAM umfasst rund 8000 Werke aus dem 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt auf den Stilen des Fauvismus und Kubismus. Das MAM vis-à-vis vom Eiffelturm ist indes nicht mit dem Centre Pompidou, dem bekannteren nationalen Museum für moderne Kunst, zu verwechseln. Es ist im Ostflügel des Palais de Tokyo; dieser an Mussolinis Monumentalbauten erinnernde Palast wurde 1937 für die Pariser Weltausstellung erbaut.

Pierre Cornette de Saint-Cyr, Direktor des Museums Palais de Tokyo, nannte die Einbrecher freilich „Idioten“, da sie die Bilder nur zu Hause aufhängen könnten: „Alle Länder wissen vom Raub und kein Sammler ist so dumm, sich ein Bild zu kaufen, das er niemandem zeigen kann und bei dem er riskiert, ins Gefängnis zu müssen.“ Die Bilder seien auf dem Schwarzmarkt praktisch unverkäuflich. Daher wird vermutet, dass hinter der Tat die „Bestellung“ eines Kunstsammlers stecken könnte oder die Täter Lösegeld wollen.

Der zuvor wohl größte Kunstraub ereignete sich 1994, als antike chinesische und jüdische Schriften im Wert von mindestens 260 Mio. Euro aus der Eremitage in Sankt Petersburg verschwanden. Die 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien gestohlene „Saliera“ von Cellini war damals etwa 50 Millionen wert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2010)

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