Zahlen statt Champagner & Co.

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Hinter Marken, die Komfort und Luxus zum Lebensgefühl erheben, stehen topqualifizierte Mitarbeiter. Experten für einen hohen Einsatz, der sich oft erst nach Durststrecken lohnt.

Qualität statt Quantität, Luxusausstattung für alle Bereiche, individueller Lebensstil, hochpreisige Marken. Die Beschreibungen der Experten für den Begriff Lifestyle sind so mannigfaltig wie die Branchen, die sie repräsentieren. Was sie allerdings verbindet, ist der generell hohe Anspruch an die Mitarbeiter.

„Alles kann man Menschen beibringen, nur Enthusiasmus nicht“, sagt Rudolf Semrad, Generaldirektor der Swatch Group Österreich, zu der Luxusuhrenmarken wie Breguet, Blancpain oder Glashütte gehören. „Lifestyle findet nicht zwischen neun und 17 Uhr statt, hier hat man sich nach dem Kunden zu richten. Es ist Dienstleistung im wahrsten Sinne.“ Keine andere Branche sei so durch Events geprägt, unermüdlicher Einsatz daher oft rund um die Uhr gefragt.

Serviceorientierung setzt aber nicht nur Flexibilität, sondern auch einen der Marke entsprechenden Auftritt voraus. Werden neue Mitarbeiter auch nach ihrem Aussehen eingestellt? Welche Rolle spielt die Optik? Claudia Steinwendner, Personaldirektorin L'Oréal Österreich: „Was man verkauft, muss man verkörpern. Man sollte aber auch hinter die Fassade blicken und sich nicht von ihr blenden lassen. Gerade Marketingleute glauben oft, dass man es in der Lifestyle-Branche nur mit Kreativität zu tun hat, dabei sind es gerade die Zahlen, die hier immens wichtig sind.“

Globales Marketing für globale Marken

Kreativität spiele bei Tochtergesellschaften von weltweiten Luxusmarken sogar eine untergeordnete Rolle, fügt Semrad hinzu: „Das Marketing erfolgt global, lokal gibt es nur Adaptionen. Der Konsument hat das Recht, nicht dauernd verwirrt zu werden, wenn er über die Grenze fährt.“

Ein Zahlenverständnis setzt auch Irina Lebedewa, verantwortlich für Personalmarketing bei Peek & Cloppenburg Wien, voraus: „Es ist gerade im Einkauf ein Irrglaube, dass man Entscheidungen aus dem Bauch heraus mit einem Glas Champagner bei Modeschauen trifft. Der Einkauf ist einer der zahlenstärksten Bereiche.“ Darüber hinaus braucht es bei globalen Marken auch Weltoffenheit, so Lebedewa, selbst gebürtige Ukrainerin. Internationale Jobrochaden seien beim deutschen Modeunternehmen daher ein interessantes Asset – dem nicht immer positiven Image von Handelsjobs gelte es schließlich eine aktive Karriereplanung entgegenzusetzen. Aufgrund der Komplexität der Branche sei Mitarbeiterbindung und Nachhaltigkeit freilich eine Notwendigkeit.

Auch Monika Wiltschnigg, Direktorin von Tiffany & Co. Vienna, ist bei Bewerbern oft mit falschen Erwartungen konfrontiert: „Wir bekommen eine Unmenge von Zuschriften, von Uni-Absolventen bis hin zu Opernsängerinnen. Ich bin hier sehr skeptisch, denn letztlich geht es um den Verkauf.“ Wenngleich der Sales-Bereich bei Luxusgütern enormes Hintergrundwissen, Mehrsprachigkeit und jede Menge spezifischer Soft Skills erfordert: „Es gehört Zeit, Geduld und Liebe dazu. Unsere Sales-Mitarbeiter müssen auch Psychologen sein, wir erwarten von ihnen, dass sie unseren Kunden auf sehr persönlicher Ebene helfen.“ Oberstes Ziel sei die langfristige Kundenbindung, für die Tiffany auch mit dem entsprechenden Produktsortiment vom Taufgeschenk bis zum Diamantcollier sorgt. „Gefragt ist 100 Prozent hingebungsvolles Kundenservice, egal zu welcher Tageszeit und egal bei welchem Produkt. Man darf sich für nichts zu gut sein.“ Vorbildwirkung hätten hier auch die Führungskräfte: „In der Vorweihnachtszeit stehe ich selbst in der Silberabteilung.“

Abschlussorientiert statt produktverliebt

Eva Hoffmann, Senior Consultant Neumann International, bestätigt: „Im Luxusbereich ist Hands-on-Mentalität ebenso gefragt wie hohe Integrität und Wertebewusstsein. Wer eine 100.000-Euro-Uhr verkauft, braucht überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft und muss Kundenbindung ernst nehmen. Erfolg im Vertrieb hat nur, wer abschlussorientiert ist.“ Ist Verkaufserfahrung auch für das Management unabdingbar? „Zur Schlüsselkraft wird man in der Lifestyle-Branche erst dann, wenn auch der Umsatz passt. Wer die Kundenbedürfnisse vor Ort nicht kennt, kann kein guter Manager sein.“

Mehr als in anderen Branchen müssten Jobanwärter auch ein Gefühl für Trends mitbringen. Steinwendner: „Wir fragen schon beim Bewerbungsgespräch ab, ob ein Kandidat über Trends in einem bestimmten Markensegment Bescheid weiß.“

Prestige wichtiger als Geld

Einig sind sich die Experten, dass Karrieren im Lifestyle nicht vorrangig des Geldes wegen angestrebt werden. Wenngleich nicht immer verstanden wird, warum gerade im Luxusbereich die Gehälter eher unter dem Durchschnitt liegen. Semrad: „Viele sehen nur, wie teuer die Produkte verkauft werden, aber nicht, was hier alles dahintersteht.“ Wobei im Bereich der Luxusmarken die verkaufsorientierten Bonifikationen keinesfalls zu unterschätzen seien.

Motivierend für Mitarbeiter sei auch die Möglichkeit, schnell Verantwortung übernehmen zu können, konstatiert Steinwendner. Und für Wiltschnigg stehen in der Lifestyle-Branche emotionale Motive im Vordergrund: „Vielen ist das Prestige eines berühmten Namens und das wunderschöne Umfeld wichtig, an dem sie sich tagtäglich erfreuen.“ Für den „Traum, mit diesen Produktwelten in Berührung zu kommen“, wird laut Eva Hoffmann mitunter sogar ein geringer Gehaltsverlust in Kauf genommen.

Investition in die Zukunft

Niedrigere Anfangsgehälter oder gar unentgeltliche Praktika während des Studiums sind für Wiltschnigg als „Investition in die Zukunft“ zu sehen. „Wer in der Branche Karriere machen möchte, sollte auch eine Durststrecke von zwei bis drei Jahren akzeptieren können.“ Hier sei Geduld angebracht, denn: „Wenn man wirklich gut ist, kann man sich dafür später schneller entwickeln als in so manch anderen Bereichen.“

Ein „Studium mit Extras“ sieht auch Hoffmann als Einstiegshilfe an: „Es macht immer einen guten Eindruck, wenn man einen Teil des Studiums im Ausland mit Stipendium oder selbst finanziert hat und ersichtlich ist, dass man bewusst auf die Branche hingearbeitet hat. Und wenn es nur ein Job in der Rezeption eines Lifestyle-Unternehmens ist.“ Lebedewa schließt den Kreis: „Unerlässlich ist die Bereitschaft, hart zu arbeiten. Egal, wie schön alles rundherum ist – das Ambiente ist in erster Linie für den Kunden da.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2008)

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