Fall Hirtzberger: Tödliche Gift-Dosis in Mon Chéri

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Strychnin-Menge, mit der der Spitzer Bürgermeister vergiftet wurde, gilt laut Gutachten der Gerichtsmedizin als tödliche Dosis.

WIEN (m.s.).Sollte der Gift-Anschlag auf den Spitzer Bürgermeister Hannes Hirtzberger tödliche Wirkung entfalten? Oder wollte jemand dem Ortschef einen folgenschweren Denkzettel verpassen? Folgt man dem Gutachten des Wiener Gerichtsmediziners Christian Reiter, so muss eindeutig von einem Mordanschlag ausgegangen werden: Die Dosis Strychnin, die Hirtzberger mutmaßlich in einer Mon Chéri-Praline zu sich genommen hatte, habe gereicht, um einen Menschen zu töten.

Die Tatsache, dass Hirtzberger glücklicherweise noch am Leben ist (er liegt in der Landesklinik St.Pölten), lasse sich damit erklären, dass jeder Mensch anders auf Gifte anspreche, erklärte am Mittwoch ein Gerichtsmediziner, der nicht genannt werden wollte, der „Presse“. Bei Strychnin gehe man ab 30 Milligramm von einer tödlichen Wirkung aus (dieser Wert wurde im gegenständlichen Fall knapp übertroffen). Aber jeder Organismus reagiere anders. Der Mediziner: „Es gibt auch Menschen, die auf Kaffee schläfrig werden.“ Aber an sich müsse bei Hirtzberger von einer tödlichen Dosis ausgegangen werden. Dieses Ergebnis wird von der Staatsanwaltschaft Krems sofort verwertet. Es sei nun noch klarer, dass der dringend der Tat verdächtige Heurigen-Wirt Helmut O. (56) wegen Mordversuchs angeklagt werden wird.

Festgestellt wurde die Strychnin-Menge bzw. deren Abbau im Körper des Opfers durch Vergleiche von Urinproben. Laut Gutachten führe diese Methode zu einem zweifelsfreien Ergebnis. Einer hegt allerdings nach wie vor größte Zweifel: Nikolaus Rast, der Wiener Anwalt des in U-Haft sitzenden Verdächtigen. Er fragt sich – ohne pietätlos sein zu wollen: „Wenn es eine tödliche Dosis war, warum ist das Opfer dann nicht tot?“

Sollte es zum Prozess gegen O. kommen (alles spricht derzeit dafür), so wird sich Gutachter Reiter diese Frage während der Verhandlung gefallen lassen müssen. Als zusätzliches Belastungsmoment wertet der Verteidiger das neue Gutachten nicht. Schließlich gebe es keinen Beweis, dass sein Mandant der Täter sei. Es wurde zwar, wie berichtet, die DNA des Inhaftierten auf einer Grußkarte gefunden – diese Karte war zusammen mit der Praline am Auto des Bürgermeisters deponiert. Aber, so Rast: „Es gibt keinen Beweis, dass das Gift in der Praline war.“ Auch den Umstand, dass sich Strychnin-Spuren am Verpackungspapier der Süßigkeit fand, lässt der Jurist nicht gelten: „Die Verpackung wurde bei Hirtzberger zu Hause im Mistkübel gefunden. Wenn eine andere weggeworfene Verpackung vergiftet war, dann hat sich das auf den restlichen Müll, also auch auf die Pralinen-Verpackung, ausgewirkt.“

Harter Kampf der Verteidigung

Fazit: „Ich fordere die Entlassung meines Mandanten aus der U-Haft und die Einstellung des Verfahrens.“ Dass dies illusorisch klingt, weiß Rast. Auf die „Presse“-Frage, ob er annehme, dass O. bei der Haftprüfungs-Verhandlung am kommenden Montag (14. April) um 8 Uhr im Landesgericht Krems frei komme, antwortet er so: „Ich bin kein Fantast, ich bin Realist. Es gibt den imaginären Haftgrund des öffentlichen Drucks.“

Indessen lässt man sich bei der Staatsanwaltschaft wenig beeindrucken. Es seien zwar noch einige Frage offen, aber im Sommer werde es den Mon Chéri-Prozess geben. Und zwar gegen Helmut O.

WAS BISHER GESCHAH

Am 9. Februar 2007 brach der Bürgermeister von Spitz, Hannes Hirtzberger, zusammen. Er äußerte noch den Verdacht, eine vergiftete Praline gegessen zu haben, ehe er das Bewusstsein verlor. Am 27. 2. wird aufgrund von DNA-Spuren der Tatverdächtige Helmut O. festgenommen. Er sitzt in U-Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.