Ruth Elsner: „Ich fühle mich zwangsgeschieden.“

Die Presse (Clemens Fabry)
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"Presse"-Exklusivinterview. Helmut Elsners Ehefrau kündigt Rechtsmittel gegen eine etwaige Verurteilung ihres Mannes an.

Die Presse: Ihr Leben hat sich seit der Verhaftung Ihres Mannes stark verändert. Was ist derzeit Ihre Hauptbeschäftigung?

Ruth Elsner: Meine Hauptbeschäftigung ist die Sorge um meinen Mann. Ich denke sehr oft an meinen Mann, eigentlich ununterbrochen. Ich führe ein Schattendasein. Es gibt sehr viele Tage, an denen ich lieber alleine bin, ganz alleine. Ich fühle mich zwangsgeschieden. Vom Staat zwangsgeschieden.

Seit einem Jahr kämpfen Sie um die Freilassung Ihres Mannes. Ohne Erfolge. Empfinden Sie Ohnmacht?

Elsner: Ich empfinde Ohnmacht und Wut. Wenn ich die Wut nicht in mir hätte und da nur die Trauer wäre, dass ich alleine bin, dann könnte ich auch nichts bewirken.

Ihr Mann ist ein blendender Netzwerker. Ich denke an SPÖ, Gewerkschaft, Bawag, aber auch Wirtschaft, Industrie. Wo sind die Leute heute alle, keiner wirft sich für ihn in die Bresche. Warum?

Elsner: Wir haben keinen großen Freundeskreis gehabt. Wir haben wirklich nur sehr enge Freunde gehabt, die sind nach wie vor da. Andere Bekannte haben sich vielleicht deswegen zurückgezogen, weil sie verunsichert wurden durch diese extreme Medienkampagne gegen meinen Mann. Kollegen meines Mannes, Generaldirektoren anderer Großbanken, werden sich gedacht haben: So was ähnliches haben wir auch gemacht, da zeigen wir jetzt lieber nicht auf, wir wollen nicht, dass die Justiz auch bei uns anklopft.

Oder Unternehmer Martin Schlaff, der in Frankreich eine Million Euro Kaution hinterlegt hat.

Elsner: Den rechne ich zu den sehr, sehr engen Freunden, seit vielen, vielen Jahren.

Immer wieder heißt es: Wenn Helmut Elsner auspackt, müssen viele zittern. Warum packt er nicht aus?

Elsner: Mein Mann hat sich als Generaldirektor gesehen, aber auch als Team-Arbeiter. Die größte, auch menschliche Enttäuschung war, dass die Leute aufstehen und sagen, sie haben eigentlich von dem nichts gewusst und sie wurden von ihm hintergangen.

Leute? Die Ex-Bawag-Vorstände?

Elsner: Ja.

Ist Ihr Mann ein Krimineller?

Elsner: Nein. Ich sehe meinen Mann als Retter eines Unternehmens. Es gab eine Situation, in der man binnen kürzester Zeit entscheiden musste.

Die großen Spekulationsverluste...

Elsner: Ja.

Die Rettung hat aber nicht stattgefunden. Die Verluste waren da.

Elsner: Die Rettung hat sehr wohl stattgefunden. Der Schaden ist 2000 passiert. Und erst 2006 durch den Herrn Generaldirektor Nowotny aufgekommen. Es war eben die Entscheidung des früheren Vorstandes, dass man mit den Verlusten nicht an die Öffentlichkeit geht. Es wäre ein Chaos eingetreten. Man sieht ja, was nach 2006 passiert ist: Ein Run auf die Bank.

Ist Ihr Mann ein Sündenbock?

Elsner: Ein Sündenbock, ein politisches Opfer und in Sachen U-Haft ein Justizopfer.

Wolfgang Flöttl hat das Bawag-Geld verspekuliert, er war ein guter Freund, von Ihnen...

Elsner: Ein Freund, kein guter Freund. Die Distanz (Flöttl lebt in den USA, Anm.) war zu groß, um ein guter Freund zu sein.

Was halten Sie heute von ihm?

Elsner: Ich bin sehr enttäuscht.

Warum?

Elsner: Gerade wenn man befreundet ist, sollte man doppelt und dreifach vorsichtig sein. Weil er wusste, dass das Geld der Gewerkschaftsbank Bawag ist. Wegen seinesVaters (Walter Flöttl, Ex-Bawag-Boss, Anm.)und wegen meines Mannes. Da hätte man doppelt und dreifach vorsichtig handeln müssen. Das tat er nicht. Sonst wäre es ja nicht passiert.

Ihr Mann ist wegen Fluchtgefahr in U-Haft, besteht die?

Elsner: Absolut lächerlich.

Sie sagen, Helmut Elsner würde nicht fliehen? Vielleicht flieht er in eine Krankheit.

Elsner: Er kann gar nicht fliehen. Mein Mann ist ja kein gesunder Mensch mehr. Wie soll das gehen? Er bucht sich in ein Spital ein und dann kommen alle Professoren des Landes und sagen: ,Der Elsner ist so schwer krank, der kann nicht mehr, es ist alles so schrecklich‘?

Wie oft besuchen Sie Ihren Mann?

Elsner: Zweimal in der Woche 30 Minuten. Durch eine 5 cm dicke Glasscheibe kann ich mich mittels Telefonhörer mit ihm unterhalten. Im Raum sind weitere 20 Angehörige anderer Häftlinge, die sich dann in allen Landessprachen Europas unterhalten. Eine besonders intime Atmosphäre.

Sie haben als Zeugin im Prozess gesagt, Sie würden gern wieder für Ihren Mann kochen. Kochen Sie jetzt für sich selber?

Elsner: Nein, ich koche nicht selbst.

Fertiggerichte?

Elsner: Nein (lächelt), ich ernähre mich nach Gusto, nichts Besonderes. Das Essen ist meine geringste Sorge.

Sie hoffen auf einen Freispruch, wenn es aber ein Schuldspruch samt mehrjähriger Haft wird?

Elsner: Ich nehme an, dass wir dann Einspruch erheben werden. Ich werde weiterkämpfen. Mein Motto lautet: Kampf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2008)


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