Champions League: Liverpool liebt Europa mehr als England

(c) Gepa (Richiardi)
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Die „Reds“ stehen erneut im Halbfinale. In der Premier League warten sie seit '90 auf den Titel.

LIVERPOOL (mfi). „Der Elfmeter war ein Geschenk des Schiedsrichters. Die entscheidenden Szenen sind gegen uns gepfiffen worden.“ Diese Aussagen stammen ausnahmsweise von keinem österreichischen Funktionär oder Trainer, sondern aus dem Munde von Arsenal-Coach Arsene Wenger. Seit Dienstagabend wird nun also auch in der europäischen Königsklasse heftig über Schiedsrichterentscheidungen diskutiert. Arsenal hatte im Viertelfinal-Schlager bei Liverpool sieben Minuten vor dem Ende gerade den 2:2-Ausgleich erzielt, als Liverpools Wechselspieler Ryan Babel im Gegenzug im Strafraum der Londoner zu Fall kam. Der schwedische Referee Frojfeldt wertete die Attacke von Kolo Toure als elfmeterreif. Liverpool-Kapitän Steven Gerrard ließ sich das vermeintliche Geschenk nicht entgehen und schoss die „Reds“ zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren ins Halbfinale (das 4:2 durch Babel hatte nur noch kosmetischen Charakter).

Arsene Wengers Frustration war aus zweierlei Gründen verständlich: Zum einen hatte seine Mannschaft Liverpool phasenweise spielerisch vorgeführt, zum anderen war Arsenal im Hinspiel ein weit klarer Elfmeter vorenthalten worden. Wenger und Arsenal – das ist eine bereits mehr als ein Jahrzehnt andauernde Erfolgsgeschichte, bei der allerdings der große Wurf auf europäischer Ebene Jahr für Jahr versagt bleibt. Ganz anders sieht es mit der Liaison zwischen Liverpool und Rafael Benitez aus. Die taktischen Finessen des Spaniers sind offenbar für die Champions League besser geeignet als für die hiesige Premier League. In der stärksten Liga der Welt ist der Rekordmeister unter Benitez lediglich auf Rang vier hinter Manchester U., Chelsea und Arsenal abonniert, in der Champions League ist er hingegen Stammgast im Halbfinale. Ein Umstand, der nicht allen Fans Freude macht (schließlich warten die „Reds“ schon seit 1990 auf den Titel), aber den mitunter eigenwilligen Coach im Sattel hält.

Chelsea will den Hattrick verhindern

Im Halbfinale wartet nun Lieblingsgegner Chelsea auf Liverpool. Die „Blues“, die sich gegen Fenerbahce Istanbul mit dem Gesamtscore von 3:2 weniger souverän als erwartet durchsetzten, waren bereits 2005 und im Vorjahr Gegner der „Reds“. Jedesmal hatte dabei Liverpool knapp das bessere Ende für sich. Vor drei Jahren entschied ein einziges (umstrittenes) Tor, in der vergangenen Saison musste ein Elfmeterschießen zur Ermittlung des Siegers herhalten. Die Partien hatten jeweils mit 1:0 für die Heimmannschaft geendet.

Der Lieblingsgegner wird diesmal allerdings ohne den Lieblingsfeind von Rafael Benitez aufkreuzen. José Mourinho ist ja bekanntlich seit September 2007 nicht mehr Coach des FC Chelsea. Avram Grant, seinem lange Zeit belächelten Nachfolger, könnte nun der Wurf gelingen, der dem portugiesischen Starcoach mit den „Blues“ stets versagt blieb. Mourinho-like kündigt Grant sogar den Finaleinzug an: „Ich bin geborener Optimist. Wir sind nun ganz knapp dran, die Champions League zu gewinnen.“

Bayern München unter Druck

Davon konnte der in den Uefa-Cup „verbannte“ FC Bayern München in dieser Saison nur träumen. Und nun droht dem deutschen Rekordmeister sogar in der „zweiten europäischen Liga“ das vorzeitige Aus im Viertelfinale. Ribery, Toni und Co. reisen mit der Bürde eines 1:1 aus dem Hinspiel zum spanischen Tabellen-Zwölften Getafe (live SAT1/20.45). Nach Adam Riese brauchen die Münchner also zumindest ein Auswärtstor. In Deutschland dominieren sie nach Belieben, der Meistertitel ist sieben Runden vor Schluss mit neun Punkten Vorsprung nur noch Formsache, doch international agieren sie ebenso wenig souverän wie ihre Mitstreiter aus der Bundesliga. Deutschland mag zwar wieder über ein schlagkräftiges Nationalteam verfügen, der Klubfußball hinkt aber seit Jahren der europäischen Spitze hinterher. Besonders deutlich demonstriert wurde das vergangene Woche durch Bayer Leverkusen. Die Elf von Michael Skibbe verlor gegen den russischen Meister St. Petersburg daheim glatt mit 1:4. Das heutige Rückspiel gerät daher zur Sightseeing-Tour in die Zarenstadt.

NEUAUFLAGE IM HALBFINALE

Liverpool und Chelsea stehen im Halbfinale der Champions-League. Liverpool gewann gegen Arsenal 4:2 (Hinspiel 1:1). Chelsea behielt gegen Fenerbahce Istanbul mit 2:0 die Oberhand (Hinspiel 1:2).

Die „Reds“ und die „Blues“ bestreiten damit am 22./23. bzw. 29./30. April eine Neuauflage der Halbfinali von 2005 und 2007 – beide Male hatte sich Liverpool durchgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)

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