Jagdsaison für verbotene Geschenkannahme

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Teure Geschenke für Beamte in Form von Jagdeinladungen sind in Österreich offenbar gang und gäbe. Bisher setzte nur das Dienstrecht Schranken, nun verbietet auch das Strafrecht die Geschenkannahme.

WIEN. Mit einem angeschossenen Wildschwein ist nicht zu spaßen. Das wissen die Jäger im Lainzer Tiergarten. Noch dazu ist das Wiener Naherholungsgebiet für jedermann zugänglich. Drei Wochen lang suchten sie also eifrig nach dem waidwunden Keiler. Drei Wochen nachdem Christoph Ulmer, damals Kabinettschef von Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), das Tier nicht voll getroffen hatte.

Am 20. Dezember 2002 schrieb Andreas Januskovecz, Forstdirektor der Gemeinde Wien, endlich das erlösende E-Mail: „Ich darf Ihnen mitteilen, dass der von Ihnen beschossene Keiler gestern Abend (19. Dez.) von Oberförster L. (ca. 300 Meter von der Stelle entfernt, wo Sie das Stück beschossen haben) erlegt wurde. Damit wurde Ihre Jagd bei uns im Lainzer Tiergarten (wenn auch etwas verspätet) erfolgreich abgeschlossen; es liegt ein kapitaler Keiler!“

2700 Euro für einen Keiler

Der kapitale Keiler für Ulmer aus dem stadteigenen Revier war ein persönliches Geschenk des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ). Dessen damaliger Präsidialchef Wolfgang Müller intervenierte beim Forstdirektor. „Solche Repräsentations-Abschüsse kommen gelegentlich vor“, sagte ein Sprecher der Stadt Wien am Mittwoch auf Anfrage der „Presse“. Fünf bis zehn Mal pro Jahr erteile der Bürgermeister die Lizenz zum Töten. Normalerweise schlägt die Stadt Kapital aus den kapitalen Keilern. „Bis zu 2700 Euro kostet ein Abschuss eines Wildschweins“, sagte der Sprecher.

Verbotene Geschenkannahme?

Fünfeinhalb Jahre später steht der „kapitale Keiler“ wieder auf. Der Grüne-Abgeordnete Peter Pilz veröffentlichte den E-Mail-Verkehr. Er sieht in den Jagdausflügen von Ulmer und anderen Kabinettsmitarbeitern einen Verstoß gegen das Beamtendienstrecht. „Es geht um verbotene Geschenkannahme“, sagt Pilz zur „Presse“. Es gebe ein System der „Geber und Nehmer“, kritisiert er. Denn Jagdausflüge von Ministeriumsmitarbeitern sind keine Seltenheit. Wie die „Presse“ berichtete, lud auch der Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly Mitarbeiter des Innenministeriums – das gleichzeitig ein schwedisches Rechtshilfeansuchen gegen Mensdorff zu prüfen hatte – regelmäßig zur Jagd ein.

„Minister muss anzeigen“

Genau hier wird es für Innenminister Günther Platter haarig. Auf Kosten eines Lobbyisten jagen zu gehen könnte eine Verletzung der Dienstpflichten dieser Beamten darstellen. Und die müsste Platter als Dienstbehörde erster Instanz anzeigen, sagt Bernd-Christian Funk, Professor für Staatsrecht in Wien, zur „Presse“.

Landeshauptleute, die auf „Repräsentations-Abschüsse“ einladen. Beamte in Ministerien, die sich auf Jagden einladen lassen – ist das schon Korruption? Heute würden die Jagdausflüge klar gegen das Gesetz verstoßen. Anfang des Jahres trat eine Strafrechtsnovelle in Kraft, die derartige Geschenke für Beamte unter Strafe stellt (siehe Seite 2). Zuvor hätte nur eine „Gegenleistung“ der Beamten – worauf es in den erwähnten Fällen keinerlei Hinweise gibt, einen Amtsmissbrauch dargestellt.

„Das Problem in Österreichs Politik ist weniger die direkte Bestechung, sondern das mangelnde Bewusstsein für Unvereinbarkeiten. Dafür hat man kein Sensorium, da findet man nichts dabei“, kritisiert der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger. Er sitzt im Beirat von Transparency International, einem Verein, der gegen Korruption kämpft (siehe Seite 2).

„Rein privat“

Seinen „Repräsentations-Abschuss“ in Lainz habe er damals sogar rechtlich prüfen lassen, betont Christoph Ulmer im Gespräch mit der „Presse“. Für die Jagd habe es auch keinerlei politische Zugeständnisse gegeben.

Die Jagdausflüge bei Mensdorff-Pouilly, dem Gatten der früheren ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat, waren für Ulmer „rein privat“. Wie berichtet lud der Waffenlobbyist Mensdorff immer wieder aktive und ehemalige Kabinettsmitglieder auf sein Landgut ins burgenländische Luising ein. Manchmal flog die Jagdgesellschaft auch nach Schottland. Zwei Autostunden nördlich von Edinburgh liegt Mensdorffs Landsitz Dalnaglar Castle. Tagsüber wurden Rebhühner gejagt, abends gab es „ein nettes Abendessen im schönen Rahmen“, erinnert sich Ulmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2008)

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