Wahre Regierungskunst: Supi-neu, supi-cool!

Karikatur: Peter Kufner www.peterkufner.com
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Lasst Schimpansen die Arbeit tun, denn wer schon hat hierzulande etwas gegen einen wirklichen Affen? So einen hatten wir doch alle schon einmal. Spätestens nach dem Besäufnis angesichts kommender Steuererhöhungen.

An dieser Stelle muss ich mein Scheitern eingestehen und mich dafür entschuldigen. Nach ein paar mild-ironischen Anmerkungen über das „neue Regieren“ wollte ich selbiges mit Vorschlägen unterstützen. Aber ich habe es nicht geschafft. Die Gründe meines Versagens kann man den folgenden Zeilen entnehmen. Und einen Vorschlag habe ich am Ende dann doch.

Seit Mitte der 1990er-Jahre werden wir von Wahl zu Wahl neu regiert. Dank großer Regierungskunst ist es uns nie aufgefallen. Man das Wort „neu“ bedenkenlos steigern: neuer, am neuesten. Der Superlativ reicht längst nicht mehr aus, wir werden sogar supi-neu regiert, oder supi-allerneuest. Woran es liegt, dass ich das – bis vor ein paar Tagen – nicht bemerkt habe? Wo doch gleichzeitig von den im September per Votum abgewatschten Politikern stets zu hören ist, man habe die Lektion gelernt (welche eigentlich?), es müsse sich etwas ändern (was eigentlich?).

The show must go on

Undankbares Volk, das über Jahrzehnte hinweg all die Lernfortschritte nicht bemerkt hat, folglich auch nicht honorierte. Dabei bemühen sich die Parteien doch wirklich nach jeder Wahl, uns etwas zu bieten für das Geld, das sie, die Politiker, verdienen. Denn auch wir müssen uns stets weiterbilden: neue Namen, neue Gesichter (die sich kaum von den vorherigen unterscheiden), neue Slogans. Nein, Slogans kann man streichen, die kennt man alle schon. Man hat bloß vergessen, wer wann welchen Slogan nicht verwendet hat.

In den letzten Tagen aber ist mir klar geworden: Ich war mit Blindheit geschlagen. Dieses Land wird tatsächlich längst neu regiert – supi-neu sogar seit der letzten Wahl. Wir, die Wählerschaft, sind nur zu voreingenommen, um es zu bemerken.

Die ÖVP etwa belästigt uns seit der Wahl kaum mehr mit Sachthemen (vorher auch nicht), aber the show must go on. Also rittert Leitl gegen Fekter. Das ist nicht nur brutal, sondern stürzt einen in den schweren Gewissenskonflikt, was einem mehr abgehen würde: die Englischlektionen und Beiträge zur Volksgesundheit (Junckers Nierensteine) der Frau Fekter oder Leitls eingefrorenes Botox-Kampfgrinsen und seine Beiträge zur Volksgesundheit (halber Selbstbehalt bei Befolgung gesundheitsschädlicher Maßnahmen). Da fällt die Wahl schwer.

Inzwischen hat Leitl erklärt, auch weiterhin vor allem den Selbstständigen auf die Nerven gehen zu wollen und dort zu bleiben, wo er ist: in der WKO. Nicht jede Neuigkeit ist eine gute. Ich schicke ihm demnächst ein paar Prospekte der Pfefferinseln. Das „Problem Fekter“ dagegen harrt noch einer eleganten Lösung. Vielleicht im Budgetloch versenken, in dem verschwindet sie dann spurlos gemeinsam mit unserem Steuergeld.

Böcke werden zu Gärtnern

Die Budgetverhandlungen von einem Landeshauptmann führen zu lassen, der Geld ausgeben kann, ohne es eintreiben zu müssen, ist grenzgenial. Demnächst werden die Böcke landesweit das Gärtnern übernehmen.

Die SPÖ kann sich da nicht lumpen lassen. Im Sinne der Demokratiereform erklärt sie ihren Mitgliedern, warum sie zu dumm sind, um über einen Koalitionsvertrag abzustimmen. Wie sollen die dumben Parteimitglieder, die man seit Jahrzehnten blöd sterben lässt, etwas Intelligentes zur Bankenrettung sagen können, wenn das doch nicht einmal die führenden Köpfe der Partei können!

Lahmarschige Gewerkschafter

Die Parteimitglieder lassen womöglich in einem Anfall von Antikapitalismus die Banken über die Klinge springen, statt auf die Einlagensicherung zu vertrauen. Die SPÖ ist derart unglaublich neu aufgestellt, dass sie nun das einstige Gusenbauer-Versprechen, „Sozial-Fighter“ zu sein, in einem Ausmaß umsetzt, dass sogar den Metallgewerkschaftern die rot geränderten Augen aus den Höhlen fallen.

Ja, ich spreche vom Mindestlohn. Die lahmarschigen Gewerkschafter grundeln bei lachhaften 1.650 Euro herum. Da ist die Partei schon wesentlich weiter. Hier wurde klargestellt, dass man mit einem Monatseinkommen unter 14.000 (exklusive Heizkostenzuschuss) nun wirklich kein würdiges Leben führen kann. Den schönen Satz, dass ein solches Einkommen auch „durchaus mit Arbeit verbunden ist“, werden die Gewerkschafter sicher gern in ihre Kollektivverträge übernehmen.

Neuer geht es nicht. Dachte ich. Doch dann offenbarte man mir gänzlich neue Perspektiven. Die Koalitionsgespräche stockten. Wir wurden Zeugen, wie die Verhandler am Rande eines mysteriösen, sich plötzlich auftuenden schwarzen Lochs verharrten, in der Angst, hineingezogen zu werden.

Zuerst ging man mit der schönen Wendung vom „Kassensturz“ an die Öffentlichkeit, die aber nur ungläubig die ungemein doofe Frage stellte: „Da kommt ihr nach sieben Koalitionsjahren drauf?“ Ja, und ganz ohne Vaterschaftstest! Da man aber längst auf „Neu regieren“-Kurs war, hieß es schnell: Ein neuer Status quo wurde erhoben. Nur Begriffsstutzige fragen, was da der Unterschied sei.

Aber ganz ohne Geheimnis kommt eben auch „neu regieren“ nicht aus. Dafür sollen wir jenen Experten, die nicht einmal eine brauchbare Prognose für 2014 zustande bringen, glauben, was sie uns für das Pensionssystem des Jahres 2050 prophezeien. Supi-neu und supi-cool! Ist es da ein Wunder, wenn der Prophet im eigenen Land nichts gilt? Wenn die Alpen sich weigern, zu den Propheten zu kommen?

Das Experiment

Vor vielen Jahren gab es ein Experiment: Man ließ einen Schimpansen gegen professionelle Aktienhändler antreten. Der Schimpanse schoss mit Dartpfeilen auf Aktienlisten, der Trader mit seinem Sachverstand. Der Affe hat gewonnen. Auch bei allen weiteren Versuchen.

In Erinnerung an diesen Test schlage ich nun vor, die Koalitionsverhandlungen abzubrechen und konsequent neu zu regieren. Holt zwei Affen aus Schönbrunn. Organisiert für jeden zehn Dartpfeile. Hängt die Vorschläge der Parteien und die Berechnungen der Experten im Kanzleramt auf. Lasst die Schimpansen ihre Arbeit tun: ein paar Pfeile werfen. Setzt dann jene Maßnahmen um und nehmt jene Prognosen ernst, die von Pfeilen getroffen wurden.

Man könnte auch den Regierungssitz gleich direkt in das Affenhaus verlegen, das wäre ein schönes Symbol für das „neue Regieren“ – und bei der nächsten Wahl kann man die Schuld auf die Affen schieben.

Angesichts der verhaltensoriginellen Zusammensetzung mancher Fraktionen des Parlaments wäre auch von dort wohl nur verhaltener Widerstand gegen diese neue Form der Kooperation zwischen Primaten zu erwarten. Nur die FPÖ würde wohl wieder ihr „Ausländer raus“ anstimmen und kein Gehör mehr finden.

Denn wer hat hierzulande etwas gegen einen wirklichen Affen? So einen hatten wir doch alle schon einmal. Spätestens nach dem Besäufnis angesichts kommender Steuererhöhungen...

DER AUTOR

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Michael Amon
lebt als freier Schriftsteller in Wien und Gmunden. Zuletzt veröffentlicht: „Wehe den Besiegten“ (Echomedia-Verlag, Wien). Im Dezember erscheint sein „Panikroman“ (Klever-Verlag, Wien), eine literarische Auseinandersetzung mit den Panikattacken des Individuums und denen der Märkte. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2013)

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