Naturwissenschaft: Die Sternstunde im Kindesalter

Naturwissenschaft Sternstunde Kindesalter
Naturwissenschaft Sternstunde Kindesalter(c) Bilderbox
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Untersuchungen zeigen: Naturwissenschaftliche Frühförderung ist sinnvoll. Dennoch wurde diese Chance bislang nur wenig genutzt.

Voitsberg. Warum gibt es Frühling, Sommer, Herbst und Winter? Eine Frage, die die Kinder vom Kindergarten Rosental in der Steiermark einfach beantworten können. Denn so wie die Temperatur auf der Erde steigt, wenn die Sonnenstrahlen ganz steil auf die Erdoberfläche auftreffen, so haben die Kinder auch bei ihrem Experiment bemerkt, dass es im Gesicht wärmer wird, sobald sie sich schräg in Richtung Stehlampe beugen.

Es sind die ersten Versuche, den Vier- bis Sechsjährigen naturwissenschaftliche Phänomene näherzubringen. Dass dabei nicht alles wissenschaftlich korrekt erklärt werden muss, ist klar. Es geht darum, die Kinder für die Naturwissenschaften zu begeistern. Und das gelingt. Der Kindergarten Rosental nimmt in Kooperation mit der Uni Klagenfurt am zweijährigen europaweiten „Fibonacci-Projekt“ teil, das sich die Förderung von mathematischem und naturwissenschaftlichem Unterricht zum Ziel gesetzt hat.

Ein Ziel, das sich zu verfolgen lohnt. Denn bislang sind Naturwissenschaften in Österreich nur wenig beliebt. Das bewies auch der PISA-Test 2006, der schwerpunktmäßig Naturwissenschaften testete. Den heimischen Schülern wurden dabei nicht nur mangelhafte naturwissenschaftliche Kenntnisse nachgewiesen, sondern auch ein vergleichsweise geringes Interesse daran. Das wird auch für die Wirtschaft zum Problem. Der Mangel an qualifizierten Facharbeitskräften bringt die Industrie zunehmend dazu, schulische Projekte in diesem Bereich zu fördern.

Angebot sehr mangelhaft

Dass in diesem Zusammenhang vor allem die Frühförderung eine wesentliche Rolle spielt, ist wissenschaftlich bewiesen. Der vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegebene Nationale Bildungsbericht 2009 bezeichnet „ein frühes Interesse an Naturwissenschaften als einen guten Prädiktor für eine spätere Karrierewahl in diesem Bereich“. Trotz dieser Erkenntnisse ist das diesbezügliche Bildungsangebot bisher mangelhaft – wenn auch im Ausbau begriffen.

Auch für Gisela Lück, Chemiedidaktikerin an der Uni Bielefeld und Vorreiterin im Gebiet der naturwissenschaftlichen Frühförderung, besteht kein Zweifel: „Die Sternstunde, um das Interesse an Naturwissenschaften zu wecken, liegt im Alter zwischen fünf und acht Jahren“, sagt sie zur „Presse“. Diese wird zumeist verpasst, denn obwohl die Kinder bereits früh ein großes Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen zeigen, wird das im Kindergarten und der Schule zu wenig berücksichtigt.

Vielfach sei das auf die Angst der Pädagogen vor den Naturwissenschaften zurückzuführen. Weder Kindergartenpädagogen noch Volksschullehrer haben den Beruf wegen ihres naturwissenschaftlichen Interesses gewählt, meint Hans Eck, Fachdidaktiker im Bereich Naturwissenschaften an der KPH Graz. Untersuchungen belegen, dass naturwissenschaftliche Inhalte nicht einmal ein Drittel des Sachunterrichts in der Volksschule ausmachen. Dabei ist wiederum die Biologie derart dominant, dass Physik und Chemie einen nahezu verschwindenden Anteil am Sachunterricht darstellen. Kritik üben Experten deshalb auch an der Lehrerausbildung. Schon da müsste angesetzt werden, um tatsächlich Veränderungen zu erreichen.

Experimente: Großer Lerneffekt

Obwohl eine entsprechende Adaptierung der Ausbildung wünschenswert ist, sind viele Dinge auch bereits jetzt in der Praxis umsetzbar. Pädagogen müssten dabei ihre Ängste ablegen und Kinder schon bald mit Experimenten konfrontieren. Untersuchungen der Chemiedidaktikerin Lück zeigen: Sobald Kinder Dinge nicht nur erklärt, sondern anhand eines Experiments präsentiert bekommen, verdoppelt sich der Lernzuwachs.

Für alle Experimente gelten einige wenige, aber grundlegende Regeln: Zum einen sollen diese stets mit Alltagsgegenständen durchgeführt werden. So haben die Kinder einen Bezug zu den Dingen und können die Experimente auch zu Hause wiederholen. Zudem muss eine gemeinsame Sprache mit den Kindern gefunden werden. Das Sprechen in Bildern macht vieles verständlicher. Dinge, über die gesprochen oder erzählt wird, dürfen durchaus eine Seele bekommen. In Geschichten verpackt hinterlassen Experimente bei Kindern einen besonders guten Eindruck.

Ob die frühe naturwissenschaftliche Förderung künftig auch dazu führt, dass – im starken Gegensatz zu jetzt – die Mehrheit der Kinder ihr Interesse auch während der Pubertät nicht verlieren, bleibt abzuwarten. Generell fordern Experten, den naturwissenschaftlichen Unterricht in der Sekundarstufe I und II näher an den Alltag der Jugendlichen anzupassen. „Jugendliche wollen lernen, was sie bewegt. Wir können auch Pickel und Haargel im Chemieunterricht zum Thema machen“, so Lück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2011)

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