Russland: Lada-Hersteller zieht die Reißleine

(c) Reuters (Ria Nostovi)
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Die zwei größten Autobauer Russlands leiden an Strukturproblemen. Avtovaz streicht 28.000 Jobs. Wladimir Putin fordert seine Mitbürger auf, beim Autokauf patriotischer zu sein.

Wien (mar/ag).Angesichts massiv sinkender Absatzzahlen hat sich Russlands größter Autobauer zu einem radikalen Einschnitt entschlossen. Der Lada-Hersteller Avtovaz hat am Dienstag angekündigt, 28.000 Stellen abzubauen, dies entspricht einem Viertel der Belegschaft. Erst Anfang Juli hat der zweitgrößte russische Hersteller GAZ die Streichung von 7000 seiner insgesamt 40.000 Stellen bekannt gegeben. Die Pkw-Produktion bei Avtovaz sei im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf fast ein Drittel reduziert worden, sagte Avtovaz-Vizepräsident Igor Komarow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax.

Noch 2008 ein Hoffnungsmarkt

Russlands Automarkt hat bis zum Ausbruch der Krise einen mehr als ein Jahrzehnt währenden Boom erlebt. Das Land galt als einer der Hoffnungsmärkte, und kurz sah es sogar so aus, als würde Russland 2009 Deutschland als den größten Automarkt Europas ablösen. Doch es kam anders. Prognosen zufolge wird der russische Automarkt heuer um mehr als die Hälfte schrumpfen. Im ersten Quartal 2009 verzeichneten heimische Produzenten beim Absatz sogar Einbrüche von 80Prozent. Für das gesamte Jahr erwarten die Wirtschaftsprüfer von PWC einen Rückgang um 50 bis 60 Prozent. Die Verkäufe inklusive Gebrauchtwagen sollen demnach auf etwa 1,3 bis 1,6 Mio. Fahrzeuge fallen. Doch die schwerwiegenden Probleme kamen sowohl bei Avtovaz als auch bei GAZ nicht erst mit der Krise – sie sind strukturbedingt.

Bis zum Zusammenbruch des Sozialismus war Lada zwischen Rostock und Wladiwostok das, was Volkswagen für Westdeutschland war: „Das Auto“, mit Kanten, die wie eine unveränderte Erscheinung der 1960er-Jahre anmuten. In Wirklichkeit sind alle Ladas nicht viel mehr als eine modifizierte Kopie eines kleinen Italieners: des Fiat 124. Einst war es Europas Auto des Jahres – was allerdings schon mehr als 40 Jahre her ist. Mit der Technologie und Know-how aus Westdeutschland, den USA und vor allem von Fiat wurde an der Wolga ein „Detroit des Ostens“ aus dem Boden gestampft, 1971 begann die Produktion. Trotz optischer Erneuerung bleibt die Fiat-Technik bis heute die technische Basis – eine fundamentale Ursache für die Krise.

Trotzdem fand der Hersteller bis zuletzt Käufer und erreichte während des Booms jedes Jahr ein stabiles Plus. Allerdings sanken die Marktanteile der einstigen Platzhirsche am heimischen Absatzmarkt bis zuletzt auf weniger als 30Prozent. Die „neue“ Konkurrenz, der der ehemals sowjetische Hersteller bis heute ziemlich wehrlos gegenübersteht, ist der zweite Grund für die Turbulenzen.

Moskaus Dilemma

Nun steht Moskau vor einem Dilemma: auf der einen Seite die Überkapazitäten einer nicht konkurrenzfähigen Branche, auf der anderen das Prestige einer Schlüsselindustrie und sehr viele Arbeitsplätze. Die Politik reagiert mit einer Doppelstrategie: mit Importzöllen und Staatsgarantien von bisher 760 Mio. Euro als Schutz, und langfristig mit Partnerschaften mit westlichen Produzenten. So wurde Renault mit 25 Prozent an Bord von Avtovaz geholt. Und der zu Oleg Deripaskas Konzerngruppe gehörende GAZ will zusammen mit der staatlichen Sberbank und Magna Opel übernehmen.

Wladimir Putin kaufte sich unlängst unter großem Medieninteresse einen Lada und forderte seine Mitbürger auf, beim Autokauf patriotischer zu denken. Trotzdem mehren sich auch auf höchster Ebene gegenteilige Stimmen. So sprach Sberbank-Chef German Gref vor wenigen Tagen ein Todesurteil aus. Avtovaz habe keine Perspektive, egal, wie viel Geld man hineinpumpe. Eine radikale Lösung müsse her: beispielsweise die Eingliederung von Avtovaz in den Renault-Konzern. Oder eine neue Allianz aus Avtovaz, Opel und Magna.

Der russische Autobauer Avtovaz hat Probleme. Das von Fiat 1966 übernommene Automodell 124 dient bis heute als technische Basis für die von Avtovaz gebauten Ladas und ist eine der zentralen Ursachen für die Probleme. Einem Viertel der Belegschaft wird gekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2009)

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