Abtreibung: Die Wogen gehen hoch in Spanien

AP
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Gerichts-Vorladungen, Streiks und heftige Debatten angesichts der Zunahme von Abtreibungen.

Palma/Madrid. Einige Frauen in Madrid erhielten zuletzt unerwarteten Besuch von der Guardia Civil. Sie hätten im Februar 2007 in einer Privatklinik abgetrieben und sollten nun vor Gericht aussagen. Gerichtsmediziner hätten Überreste von Föten jenseits der rechtlich zugelassenen 22-Wochen-Frist gefunden, nun werde gegen die Mütter ermittelt.

Hintergrund ist ein landesweiter Streit nicht nur um die Praxen mancher Privatkliniken, in denen 98 Prozent aller Abbrüche vorgenommen werden. Es geht auch um die Zunahme der Abtreibungen und den Widerstand von Kirche und Abtreibungsgegnern.

Seitdem ein dänischer TV-Sender zweifelhafte Praktiken in einer Klinik in Barcelona publik machte, ermittelt die Staatsanwaltschaft landesweit. Ärzte und Krankenschwestern wurden auf offener Straße festgenommen. Organisationen von Abtreibungsgegnern protestieren vor den medizinischen Einrichtungen. Personal und Patientinnen der umstrittenen Clinica Isadora wurden beim Betreten oder Verlassen der Einrichtung angegriffen.

Befürworter tadeln „Hexenjagd“

Abtreibungsbefürworter sprechen von einer „Hexenjagd“. Aus Protest waren die Abtreibungskliniken vergangene Woche in Streik getreten – eine bisher nie da gewesene Situation.

Nun hat sich die Regierung eingeschaltet. Vize-Premierministerin Fernández de la Vega wandte sich an den Generalstaatsanwalt, um die „Hausbesuche“ der Guardia Civil zu unterbinden, die „in die Grundrechte der Frauen“ eingriffen. Umstritten ist die persönliche Aushändigung der Gerichtsvorladungen.

Zudem gehörten die Beamten der Umweltschutz-Brigade der Guardia Civil an. Im Lauf der Woche will Fernández de la Vega mit den Klinik-Betreibern über eine bessere Kontrolle bei der Einhaltung der Gesetze verhandeln.

Diese sind allerdings umstritten. Bei der spanischen Indikationslösung (seit 1985) können neben Vergewaltigung und Missbildung des Fötus Abbrüche auch bei „Gefährdung der psychischen Gesundheit der Mutter“ bis in die zweite Hälfte der Schwangerschaft vorgenommen werden. Tatsächlich ist 2007 die Zahl der Abbrüche um zehn Prozent auf fast 100.000 gestiegen.

Heißes Wahlkampfthema

Die katholische Kirche macht mit Verweis auf die Abtreibung und die Homosexuellen-Ehe gegen die sozialistisch geführte Regierung mobil. In zwei Monaten sind Parlamentswahlen, die Missstände wurden zum Wahlkampfthema.

Ex-Premier Felípe González, unter dessen Regierung das heutige Gesetz entstand, fordert eine Novelle: „Eine Fristenlösung ist angemessen“, sagt González. Doch Ministerpräsident Zapatero, der eine Lockerung der Regelung versprach und nicht umsetzte, will die Abtreibung diesmal nicht ins Wahlprogramm nehmen. Die Sozialisten (PSOE) suchen nach Wählern in der Mitte, 20 Prozent der PSOE-Anhänger gelten als praktizierende Katholiken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2008)

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