Statussymbol gekochte Eiche: Der Luxus des ethischen Wohnens

Die Frage „Was kostet die Welt“ hat sich auch im gehobenen Millionenbereich gewandelt. Prestigeobjekte von einst wie etwa Tropenhölzer sind passé.

Eines der Hauptargumente für nachhaltiges Bauen fällt im Luxussegment gleich einmal weg: Die geringeren Betriebskosten sind nicht unbedingt etwas, was den Käufer einer Multimillionen-Euro-Immobilie nachhaltig beeindruckt.

Wie in der S-Klasse

„Wenn ein Kunde eine Wohnung in der Preisklasse von 10.000 bis 20.000 Euro pro Quadratmeter kauft, sind die Energiekosten nicht wirklich ein Thema für ihn“, weiß Reinhard Stix, Immobilienentwickler und Geschäftsführer von Lammel & Stix Immobilien. „Der Energieausweis ist ja ohnedies Pflicht, und der Kunde geht einfach davon aus, dass die Immobilie energietechnisch dem Standard entspricht.“

Auch Philipp Kaufmann, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) weiß um die Problematik: „Die Betriebkostenoptimierung als ein wesentliches Argument für Nachhaltigkeit ist hier sicherlich nicht relevant“, so der Experte, „allerdings verhält es sich im Luxussegment bei den Immobilien ähnlich wie bei den Autos. Da hat man früher bei einem Mercedes der S-Klasse auch 15 Liter auf 100 Kilometern akzeptiert, heute sollen es aber nicht mehr als elf oder zwölf Liter sein. Und auch, wenn man bereit ist, für Luxus mehr zu bezahlen, dann sicherlich nicht mehr in Dimensionen von 20 oder 30 Litern.“

Gesunde Baustoffe erwünscht

Was nicht heißt, dass Kunden im High-End-Bereich nicht am Thema Nachhaltigkeit interessiert sind, sie sind es nur aus anderen Gründen. „Das Hauptargument hier ist Behaglichkeit“, so Kaufmann, „die Kunden wollen sich ein Umfeld leisten, in dem man nicht krank wird, und die Verwendung gesunder Baustoffe kann man in nachhaltigen Immobilien einfach sehr gut dokumentieren.“ Und diese Dokumente und Zertifikate wollen auch immer mehr Kunden sehen.

Fenster: Argon versus Krypton

„Es ist wirklich ein sehr großes Thema“, bestätigt Elisabeth Rohr von Elisabeth Rohr Real Estate, „die Kunden fragen mittlerweile so viel nach, dass ich anfangs selbst als Maklerin bei manchen Fragen einmal passen und die Antwort nachreichen musste“, erinnert sie sich. Die Bereiche, um die es da geht, reichen von den Fenstern über die Wandfarben bis zu den Bodenbelägen. „Ich hatte erst kürzlich einen Kunden für eine Wohnung im goldenen Quartier, der auf eigene Kosten die eingebauten Fenster hat ersetzen lassen, weil diese ursprünglichen nicht mit Krypton, sondern mit Argon gefüllt waren, und die mit Krypton befüllten dreimal länger halten“, berichtet sie aus dem Makleralltag.

Auch alles rund um das Thema Energie werde genauestens hinterfragt, wenn auch nicht aus der Notwendigkeit des Heizkostensparens heraus. „Die Zertifizierung mit dem Fernwärmezeichen kommt bei Kunden sehr gut an“, berichtet Norbert Winkelmayer, CEO der Sans Souci Group, „sie wollen wissen, woher der Strom kommt.“ Und wie effizient dieser verwendet wird – von den Details der Fußbodenheizung bis zur kontrollierten Wohnraumlüftung, die laut Stix vor allem bei den Käufern von Zweitwohnsitzen gefragt ist.

Immer größeren Wert legen die Kunden auf die verwendeten Materialien. „Viele Käufer wollen beispielsweise keine Rigipswände mehr in den Räumen“, berichtet Winkelmayer, „sondern sie bevorzugen Wände aus Holz, die mit Lehmplatten beschichtet sind. Oder sie entscheiden sich auch im Luxusbereich für einen unbehandelten, aber schönen Dielenboden.“ Definitiv sollen es keine Tropenhölzer mehr sein, zumal es mittlerweile edle und optisch vergleichbare Alternativen gibt: „Gekochte Eiche sieht aus wie ein Tropenholz“, betont Kaufmann; und auch Rohr bietet im goldenen Quartier grundsätzlich einheimische Hölzer an, die bisher alle Kunden gekauft haben – in der Mehrzahl sogar eher geölt als lackiert.

Beim Thema Auto wird die Möglichkeit zu grünerem Fahren stärker nachgefragt, Ladestationen für Elektroautos gehören immer häufiger zur Standardausstattung bei den Garagenplätzen – auch wenn sie von einigen als bald überholt gesehen werden. „Die Leute machen sich wirklich sehr langfristige Gedanken“, so Rohr, „bei mir hat kürzlich ein Kunde zwar einen Garagenplatz mit Ladestation nachgefragt, war sich aber sicher, dass in 50 Jahren ohnedies jede europäische Stadt autofrei sein wird, und es daher nur eine Übergangslösung ist.“

Nur die halbe Wahrheit

So weit, so gut, so grün – oder besser blau im Sinne der Blue Buildings – klingt die schöne neue Immobilienwelt im höchsten Segment. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

„Manche interessieren sich für all diese Dinge – und manchen ist all das einfach wurscht“, bringt es Entwickler Winkelmayer auf den Punkt. „Und von denen, die sich dafür interessieren, fragt die eine Hälfte von sich aus nach, und die andere freut sich, wenn es diese Dinge gibt.“ Und diese Hälfte ist dann auch nicht immer bereit, Kompromisse im Sinn der guten Sache zu schließen. „Wenn es zur Frage ökologisch versus schön kommt, gewinnt schön als Kriterium“, fasst Winkelmayer zusammen, und auch Stix hat die Erfahrung gemacht, dass die Nachhaltigkeit der Kundschaft manchmal völlig egal ist. „Wenn der Wunschstein aus Brasilien kommt, wird genau der im Wohnzimmer verlegt“, berichtet er.

Lage als nachhaltigstes Kriterium

Helfried Mück, Geschäftsführer von Engel&Völkers Wien, schätzt die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der teuersten Immobilienpreisklasse ebenfalls noch eher untergeordnet ein: „Das Thema spielt schon eine Rolle und wird auch sicher wichtiger werden, gibt aber momentan letztlich bei einer Kaufentscheidung im Luxussegment keinen Ausschlag. Das tun nach wie vor die Ausstattungsmerkmale und die Lage“, berichtet er – verweist aber darauf, dass die Lage schließlich eines der wesentlichsten Kriterien für den nachhaltigen Wert einer Immobilie sei.

Wobei Philipp Kaufmann einen gewissen Egoismus keineswegs als der Sache abträglich ansieht. „Der nachhaltigste Nutzer denkt an sich selbst“, weiß der Experte, „zum Beispiel, indem er dafür Sorge trägt, sich und seine Familie nicht krebserregenden Stoffen auszusetzen.“

Statussymbol Ethik

Und auch die im Luxussegment nicht ganz von der Hand zu weisende Frage nach den angesagten Statussymbolen kann grundsätzlich der guten Sache dienlich sein. „Heute ist es auch ein Statussymbol zu sagen, ,Ich kann es mir leisten, dass es ethisch ist‘“, ist Kaufmann überzeugt – und kommt noch einmal auf seinen Vergleich mit den Luxusautos zurück: „Ich kenne auch keinen einzigen Luxusmenschen mehr, der noch stolz auf seinen Hummer wäre.“

Der würde wahrscheinlich neben der Ladestation in der Garage auch irgendwie deplatziert wirken. sma

Auf einen Blick

Umweltbewusstsein und Luxusanspruch

Auch wenn die Heizkostenabrechnung hier keine gewichtige Rolle spielt, gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Auch wer sich Energievergeudung leisten könnte, will Ressourcen sparen oder zumindest etwas umsichtiger damit umgehen.
Ein gesundes Wohnumfeld, ressourcenschonende Energiekonzepte und Garagenplätze mit Ladestationen für Elektroautos gehören immer häufiger zum neuen Standard, ethisch korrekte Materialien avancieren zu neuen Statussymbolen. Allerdings gilt das noch nicht für alle Kunden in diesem Segment, manchen ist das Thema auch 2013 ganz einfach noch herzlich wurscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2013)

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