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Beziehungen in einer Welt, die unerbittlich ist

Beziehungen einer Welt unerbittlich
Beziehungen einer Welt unerbittlich(c) REUTERS (OLIVIA HARRIS)
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Michael Kiwanuka im Chaya Fuera: Folk und Soul in frischem Geist und bewährter Machart.

Michael Kiwanuka wirkt wie eine aus den Siebzigerjahren herübergebeamte Gestalt. Er zelebriert die Macht der Melodie wie all die großartigen afroamerikanischen Sänger damals, die nicht den Blues, sondern den Folk zum Ausgangspunkt ihrer beseelten Kunst machten. Also Granden wie Bill Withers, Terry Callier und Jae Mason, denen wichtig war, dass das Private, das sie in ihren Songs verhandelten, stets auch gesellschaftliche Verhältnisse spiegelte.

Kiwanuka singt ebenfalls vornehmlich über Beziehungen. Die spielen sich aber vor dem Tableau einer Welt ab, die unerbittlich geworden ist. Die Schönheit seiner geziert geführten Stimme führt verlässlich in ein Utopia, in dem mit Subtilität alles erreichbar scheint. Seine Kunst fordert die Einheit des Schönen, Guten und Wahren. Mancher mag das retro nennen, in Wirklichkeit ist dieser Ansatz einfach zeitlos.

Unscheinbarer BBC-Trendsetter

Er schert sich weder um musikalische Hipness, noch um ein verkaufsförderndes Image. Wie er da so selbstvergessen mit seinen drei Musikern auf der kleinen Bühne des Chaya Fuera musizierte, realisierte man gar nicht mehr, dass ausgerechnet dieser unscheinbare Troubadour heuer auf der BBC-Trendliste auf Platz eins geführt war. Der Liederreigen startete mit dem sanft pulsierenden „I'll Get Along“. In strikt unverstärktem Umfeld erklärt er darin einem Freund oder einer Freundin in schlichten Worten sein regelmäßig auftretendes Bedürfnis nach dem Alleinsein. In anderen Songs sprachen die sachte wiegenden Rhythmen vom Zutrauen in die Wechselhaftigkeit des Lebens. Kiwanuka nimmt das Bittere, das für gewöhnlich die Existenz zeitweise verdunkelt, als lebensimmanente Konstante, die man genauso bejahen muss, wie das Gute, das einem widerfährt.

Trotz dieses beinah buddhistischen Gleichmuts in seiner Lebensphilosophie weisen seine Lieder reichlich Spannungsmomente auf. Zu den Highlights bei seinem Wien-Debüt zählten das verhuschte „Rest“ mit seinem reichen Trostpotenzial genauso wie das still jubilierende „I'm Getting Ready“, in dem Kiwanuka seinen Glauben an Gott zelebrierte. Im glühenden „Worry Walks Beside Me“ geißelte er die Sorge als das unnötigste Gefühl, das man haben kann. Die Fans waren begeistert. sam

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2012)

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