Kirchenarchitektur: Symbolik in moderner Sprache

Kirchenarchitektur Symbolik moderner Sprache
Kirchenarchitektur Symbolik moderner Sprache(c) APA (GINDL Barbara)
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Das traditionelle Bild einer Kirche ist heute nicht mehr gefordert. Das macht moderne Sakralbauten zu einer reizvollen Herausforderung für Architekten.

Das Wesen von Corporate Identity erklärte Benno Keysselitz, Deutschlands CI-Pabst im letzten Jahrhundert, seinen Kunden gern an einem einleuchtenden Beispiel: „Egal, wo auf der Welt Sie sind, Sie sehen ein Gebäude mit einem hohen Turm und einem Kreuz und wissen – eine Kirche. Das ist perfekte Corporate Identity.“ Moderne Kirchenneubauten konterkarieren allerdings das Beispiel von Keysselitz, sie kommen immer öfter ohne Turm aus. So auch die zwei bedeutendsten österreichischen Sakralbauten, die in den letzten Jahrzehnten errichtet wurden: die Wotruba-Kirche in Wien-Mauer und die Donaucity-Kirche an der Wagramer Straße.

Für Architekt Heinz Tesar, der das Gotteshaus neben der UNO-City entwarf, war ein Turm bei diesem Projekt nie ein Thema, erklärt er: „Es wäre falsch verstandene Konkurrenz mit den Hochhäusern der Umgebung gewesen.“ Viel wichtiger für ihn war die Wahl des Materials für das Gebäude, „ich suchte etwas, das es an diesem Ort nicht gab“, erzählt der Architekt. Tesar entschied sich für eine Außenhaut aus schwarz glänzendem Chromstahl. Als äußeres Erkennungszeichen prangt an der Fassade ein großes weißes Kreuz.

Licht als Element

Die je nach Wolkenstimmung in unterschiedlichen Tönen glänzende Stahlfassade wurde mit dutzenden Bohrungen perforiert. Durch die Löcher fällt Licht in den Kirchenraum und lässt den Tagesablauf erkennen. „Das Licht als ein Element des Universums ist hier wesentlich“, sagt der Architekt. Ein anderer bedeutender Punkt für Tesar war, dass der Kirchenraum im Gegensatz zum Äußeren eine Atmosphäre der Geborgenheit vermittelt: „Das helle Holz, das durchgehend an Boden, Wand und Decke verwendet wurde, schafft eine bergende, warme Atmosphäre.“

Auf eine außergewöhnliche, moderne Kirche freuen sich derzeit die Mitglieder der Pfarrgemeinde Lichtenberg nahe Linz. Der Sakralbau in Holzriegelbauweise soll im Oktober des heurigen Jahres eingeweiht werden. Entworfen wurde das Gotteshaus vom Linzer Dombaumeister Wolfgang Schaffer. Statt eines Turms ist das Zentrum der Kirche ein hoher zylinderförmiger Bau. Christian Hein, Leiter des Seelsorgezentrums Lichtenberg, erklärt die Lösung so: „Wir wollten einen runden Raum, in dem der Altar die Mitte der feiernden Gemeinde darstellt.“ Diese runde Form ist außerdem eine Reminiszenz an den frühchristlichen Kirchenbau.

Heiliger Ort und weltliche Feste

An den Baukörper schließt sich, durch eine verschiebbare Wand getrennt, der große Pfarrsaal an, in dem künftig weltliche Feste der Kirchengemeinde stattfinden werden. „Der sakrale Raum bleibt so ein heiliger Ort. An hohen Festtagen, an denen viele Menschen zum Gottesdienst kommen, kann der Pfarrsaal als Erweiterung der Kirche genützt werden“, erzählt Christian Hein. Trotz des modernen Konzepts der Mehrfachnutzung wird die Kirche ein mystischer Raum bleiben. Dazu tragen etwa hohe Wandschlitze im Zylinder bei, die, so Hein, „für ein mystisches Spiel aus Licht und Schatten im Inneren sorgen“.

Kirchenbauten sind für Planer immer eine reizvolle Aufgabe: „Man hat hier die Möglichkeit, ein Konzept von der Idee bis zum Raum rein umzusetzen“, sagt Oliver Aschenbrenner. Der Architekt war Projektleiter bei der Donaucity-Kirche. Derzeit gestaltet er den Altarraum der Pfarrkirche Mistelbach. Aschenbrenner erzählt: „Wort und Mahlfeier sind das Thema, da sie zusammengehören, haben wir Altar und Ambo aus einem Block geschnitten.“ Ein weiteres Sakralbauprojekt von Aschenbrenner ist ein Entwurf für eine Filialkirche im niederösterreichischen Oberrohrbach, der allerdings nicht realisiert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2010)

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