Universität Wien: Und täglich grüßt der Siegfriedskopf

Die Presse (Bruckberger)
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Wieder Proteste gegen Burschenschafter, die zu dem antisemitischen Gefallenendenkmal pilgern.

Wien. Seit Mitte Oktober hat die Wiener Polizei einen wöchentlichen Fixtermin. Auf der Rampe vor der Uni Wien treffen sich jeden Mittwochmittag nicht nur deutschnationale Burschenschafter, um traditionell „Präsenz zu zeigen“, sondern auch linke Demonstranten. Dazwischen die Uniformierten als Puffer. Auch die ÖH, derzeit unter linkem Vorsitz, protestiert gegen die „ewiggestrigen Vorstellungen und Rituale“ der Burschenschafter und deren Marsch zum Siegfriedskopf.

Dieses Denkmal sorgt seit seiner Errichtung 1923 für Kontroversen. Es wurde von der damals deutlich antisemitischen und antidemokratischen „Deutschen Studentenschaft“ in der Aula errichtet, zur Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallen Studenten und Lehrer. Allerdings nur an die deutschen, betont Friedrich Stadler, Vorstand des Zeitgeschichte-Instituts. Symbolisch verweist das Denkmal auf die Siegfried-Mythologie der Nibelungen-Sage und die „Dolchstoßlegende“, nach der Deutschland und Österreich den Ersten Weltkrieg durch eine Verschwörung von Sozialisten und Juden verloren haben.

Burschenschafter haben den Siegfriedskopf in der Vergangenheit immer wieder aufgesucht. Und tun dies laut Sprechern der Uni Wien auch heute noch. Stefan Lakonig von der Burschenschaft Albia, die derzeit dem Dachverband der Wiener Korporationen vorsitzt, relativiert: Heute fänden dort nur Stiftungsfeste oder Totengedenken statt. Und überhaupt sei der Siegfriedskopf das einzige Denkmal, das an die Gefallenen der Uni erinnere.

Der Protest gegen diese Ehrerbietung ist nichts Neues. „Immer am Semester-Anfang empören sich neue Generationen von Studenten über die ,Burschis‘“, so Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands.

In neuen Kontext gesetzt

Der Siegfriedskopf selbst wurde seit den 1990er Jahren immer wieder Ziel von Anschlägen: Man entstellte ihn mit roter Farbe und Säure, schlug ihm die Nase ab. Im Sommer 2006 wurde er von der Aula in den Arkadenhof verlegt. Dort liegt er unter einem Glassturz mit erklärenden historischen Texten. Stadler, der wissenschaftlicher Berater bei der Neugestaltung war: „Ich bin überrascht, dass die Burschenschafter sich noch beim Siegfriedskopf treffen, obwohl er in diesem neuen Kontext steht.“

ZUR SACHE

Der Siegfriedskopf wurde von der antisemitischen „Deutschen Studentenschaft“ im Jahr 1923 als Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs errichtet. Es nimmt Bezug auf die Siegfried-Mythologie und die „Dolchstoßlegende“. [Michaela Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2008)

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