McKinsey hilft Griechenland auf die Beine

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Die Unternehmensberater bieten ein „Wachstumsmodell“ für die darniederliegende Volkswirtschaft an. Die Ziele sind weniger Bürokratie, größere Unternehmen, höhere Produktivität und mehr Export.

Athen. Jedes Land hat seinen Duft und Geschmack. Wer vom Urlaub in Griechenland träumt, würzt seine Sehnsucht mit dem fiktiven Aroma von Olivenöl, Schafkäse oder Joghurt mit Honig. Dahinter stehen harte Fakten. So sind die Griechen die Nummer drei im Export von Olivenöl. Aber sie verkaufen 60 Prozent ihrer kostbaren Flüssigkeit als billige Bulkware nach Italien. Dort erst wird es in Flaschen mit eleganten Etiketten abgefüllt und so dem Endkunden schmackhaft gemacht. Dafür kassieren die Italiener einen fetten Aufschlag von 50 Prozent. Ähnlich steht es mit anderen Spezialitäten: Mangels Herkunftsbezeichnung kommt weniger als ein Drittel vom „griechischen Fetakäse“ und dem in den USA so beliebten „Greek Style Yogurt“ tatsächlich aus Hellas.

Das sind entlarvende Details einer Beratungsarbeit ohne Auftrag. Zehn griechische McKinsey-Consulter haben zehn Monate lang ein Wachstumsmodell für Griechenland ausgearbeitet. „Wir lieben unser Land und wollen nicht zusehen, wie es den Bach runtergeht“, erklärt George Tsopelas, Chef des Büros in Athen. Eines steht für die Berater fest: Man muss von vorne starten. Der trügerische Boom nach der Euro-Einführung war auf niedrige Zinsen, Schulden und Inlandskonsum gebaut. Immerhin: Eine Immobilienblase blieb dem Land erspart, auch die Unternehmen sind gering verschuldet. Die Kehrseite: Es wurde zu wenig investiert, und damit fehlt die Basis für ein nachhaltiges Wachstum und den Ausbau der Exporte.

Wer wachsen will, den straft der Staat

Was überraschen mag: Der eigentliche Staatsanteil ist mit knapp 50 Prozent kleiner als in Österreich. Aber in keinem anderen EU-Land ist die Leistung, die der öffentliche Sektor erbringt, so gering (siehe Grafik). Das strahlt auch auf die Unternehmen aus, die direkt oder indirekt vom Staat kontrolliert werden. Ihre rasche Trennung von der Politik und eine Öffnung der geschützten Sektoren hat auch für McKinsey hohe Priorität.

Nur ein Viertel des BIPs verbleibt für das freie Unternehmertum. Aber auch dort liegt die Produktivität fast 30 Prozent unter EU-Schnitt. Der Grund sind die zahllosen kleinen und kleinsten Familienunternehmen. Während in Österreich nur sieben Prozent der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in Firmen mit unter zehn Mitarbeitern arbeiten, sind es Griechenland 30Prozent. Aber nur wer Größenvorteile nutzt, kann produktiv sein. Wissen das die Griechen nicht? Fehlt ihnen das „Wachstumsgen“? Vielmehr, heißt es bei McKinsey, entmutigt die Bürokratie. Wer etwa ein Tourismus-Projekt bewilligen lassen will, hat es mit bis zu 13 Ministerien zu tun, wartet Jahre und muss mit zumindest einem negativen Bescheid rechnen. Dagegen hilft nur Schmiergeld – oder ein Gang zum Verwaltungsgerichtshof, wo sich jedes Jahr tausende neue unerledigte Fälle stapeln. Auch der Fiskus liefert Fehlanreize: Wer klein und unauffällig bleibt und ein paar mitarbeitende Verwandte nicht meldet, muss keine Steuern zahlen.

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Potenziale im Tourismus und Transport

Fallen diese Fehlanreize weg, können die Potenziale genutzt werden. Etwa im Tourismus: Hoch rentabel, hat McKinsey errechnet, wären 35 zusätzliche Jachthäfen, vier Einschiffungshäfen für Kreuzfahrten und 50.000 Ferienwohnungen. Hier verlieren die Griechen Terrain – auch wegen der niedrigeren Preise in Kroatien und der Türkei. Aber eine Abkehr vom Euro ist für die Berater (wie für fast alle Griechen) nur ein Horrorszenario und Tabuthema. Vielmehr müssten mehr Qualitätstouristen her, auch aus neuen Märkten wie Russland und Asien.

Viel zu wenig nutze Griechenland auch das Potenzial seiner großen Häfen Piräus und Thessaloniki. Die Ladevorgänge und Zollprozeduren dauern bis zu doppelt so lang wie in Bulgarien, Rumänien oder der Türkei. Und auf die große Chance, den Weitertransport per Lkw für die eigene Transportwirtschaft zu nutzen, wurde verzichtet – weil es sich um einen geschützten Sektor mit viel zu hohen Preisen handelt.

McKinsey hat auch „Rising Stars“ identifiziert, wie die Generika-Produktion, den Medizintourismus oder die Aquakultur-Züchtung von Seebrassen, Wolfsbarschen und Muscheln. Würden alle Vorschläge Realität, rechnen die Berater mit 50 Mrd. Euro mehr Wirtschaftsleistung und 500.000 neuen Arbeitsplätzen. Freilich haben die hochfliegenden Pläne einen Haken: Es muss investiert werden. Und dafür gibt es kein Geld, weder von den angeschlagenen Banken noch von Investoren im Ausland. Da können auch die nüchternen Berater nur auf Europa hoffen – auf Stützung der Banken und Kofinanzierungen aus Brüssel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2011)

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