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"Midnight Mover": Der Soul des Bobby Womack

Midnight Mover Soul Bobby
Midnight Mover Soul Bobby(c) REUTERS (� Aaron Josefczyk / Reuters)
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Affären, Schießereien, Kokain: Das Leben des Bobby Womack war voller Abstürze. Doch aus dem Schmerz machte er großen Soul – von dem auch Popstars zehrten: Die Stones, Rod Stewart und die Gorillaz verdanken ihm Hits.

Perspektiven für Afroamerikaner gab es in den späten Fifties exakt zwei: Sport und Musik. Vater Friendly Womack nahm die Weichenstellung für Klein-Bobby vor: Er formte aus ihm und seinen Brüdern die Gospel-Boygroup „The Valentinos“. Erfolgreich. Aber was mit jubilierendem Gospel begann, endete im moralischen Sumpf. Zunächst ließ sich der vielversprechende Gitarrist Bobby Womack in die Band von Sam Cooke („Wonderful World“) locken. Nach Cookes Ermordung (1964) heiratete er ungeniert dessen Witwe Barbara, begann bald auch noch eine Affäre mit deren Tochter Linda. Barbara flippte aus und streckte ihn mit einigen Schüssen nieder. Er überlebte knapp.
Kein Zufall, dass Womack diese Episode zum Prolog seiner Memoiren „Midnight Mover“ erkor. Dieses Attentat war der Beginn einer Berg- und Talfahrt. Einer der Tiefpunkte: eine Kokainparanoia, bei der er vom Bett aus auf die Schlafzimmertüre schoss, weil er etwas Verdächtiges hörte. Als das Magazin leer war, ging die Türe auf und sein vierjähriger Sohn stand leicht verdutzt im Rahmen.
„Künstler sein heißt scheitern, wie kein anderer zu scheitern wagt“, sagte Samuel Beckett. Das passt auf Womack. Die Wechselbeziehung zwischen seinen privaten Katastrophen und seinen künstlerischen Triumphen ist offensichtlich. Er lebte den Schundroman, stilisierte ihn in Liedern wie „I'm Through Trying to Prove My Love to You“ und „Daylight“ zu Akten der Läuterung.

Bei allem Jammer hat es sich wohl doch ausgezahlt, Bobby Womack zu sein. Nummer-eins-Hit schuf er selbst keinen, spielte aber 24 drängende Soloalben ein, darunter „Facts Of Life“ (1973) und „The Poet“ (1982). Auch als Sessionmusiker war er an magischen Momenten beteiligt: Er nahm mit Aretha Franklin „Chain Of Fools“ auf; er verzierte „The Letter“ von den Box Tops und „Son Of a Preacher Man“ mit seinen verspielten Linien. Er spielte für Ray Charles und Elvis Presley; Wilson Pickett glückte mit dem Womack-Stück „Midnight Mover“ ein Welthit. Als Womacks Solokarriere 1968 mit dem Album „Fly Me To The Moon“ anhob, begegnete er den Größten auf Augenhöhe. Der Mercedes Benz, nach dem es Porsche-Fahrerin Janis Joplin 1971 im gleichnamigen Song gelüstete, war nicht zufällig der von Bobby Womack. Die beiden verstanden einander gut. Womack spielte auf ihrem Album „Pearl“ die Gitarre, Joplin sang darauf auch beseelt Womacks Song „Trust Me“.

1976 adelte George Benson Womacks grooviges Instrumental „Breezin'“ zum Jazzklassiker. Als sich Rod Stewart 1978 für seinen Hit „Do Ya Think I'm Sexy“ das markante Riff aus Womacks „If You Want My Love Put Something Down On It“ klaute, schwieg dieser dezent. Schließlich waren The Faces, Stewarts Ex-Band, seine Freunde, Mitte der Sixties war er mit ihnen auf Tour. Damals freundete er sich auch mit Ron Wood an. Zu den Rolling Stones hat Womack ein besonderes Verhältnis. Mit seinem Song „It's All Over Now“ hatten diese 1963 ihren ersten Nummer-eins-Hit. Die daraus resultierenden Geldduschen hat ihnen Womack nie vergessen: 1994 nahm er mit „Resurrection“ ein ganzes Album mit ihnen (ohne Jagger) auf. Die solide Liedersammlung floppte dennoch. Die Karriere schien am Ende. Doch 1997 kam er wieder, mithilfe von Quentin Tarantino, der seinen Song „Across 110th Street“ in der Anfangsszene von  „Jackie Brown“ einsetzte. Womack blieb in einer Art Halbruhestand, nahm nur Gospel und Weihnachtslieder auf. Das änderte sich 2010: Ex-Blur-Mastermind Damon Albarn lud ihn als Gastsänger zu den Gorillaz, produzierte Womacks großes Comeback-Album „Please Forgive My Heart“.
Seither ist Womack wieder auf den großen Bühnen dieser Welt. Und er gönnt dem Schein keine Lufthoheit. Er hat den Schmerz zu einem Kraftzentrum gemacht und die Niederlagen zum Triumph: Das ist Soul.

Veranstaltungstipp: Bobby Womack spielt am 3. Juli um 19:30 Uhr beim Jazzfest Wien in der Staatsoper

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2013)

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