Deutschland: Blau-weißer Dunst in Bayerns Bierzelten

(c) AP (Diether Endlicher)
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Nach Wahlschock für die CSU: Parteichef Huber und Ministerpräsident Beckstein haben Ausnahme-Regelungen für Bierzelte und kleine Wirtshäuser angeordnet.

BERLIN (vier). Was wäre das Münchner Oktoberfest ohne die Maß Bier, eine deftige Jausn, eine zünftige Gaudi – und den blau-weißen Dunst? Unvorstellbar, sagen die mächtigen Wiesn-Wirte, die Gastronomie-Lobby und die Raucher-Rebellen in Bayern. Sie sehen im schärfsten Rauchverbot in ganz Deutschland die viel gerühmte „Liberalitas Bavariae“ gefährdet, das Prinzip von „Leben und leben lassen“.

Der dumpfe Groll, der zu einer Fanfare des Protests angeschwollen ist, erzwingt jetzt wahrscheinlich eine Lockerung des Verbots. Der CSU ist der Schock der Niederlage bei den Kommunalwahlen so in die Knochen gefahren, dass sie es ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen mit der Angst vor dem Unmut der Wähler zu tun bekommt.

Nichtraucher schlagen Alarm

In einer Blitzreaktion haben Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein Ausnahmeregelungen für Bierzelte und kleine Wirtshäuser angeordnet. Für die CSU-Fraktion ist indes nicht mehr jeder Wunsch von oben automatisch Befehl: Trotz Bedenken und breiten Widerstands im Freistaat haben die Abgeordneten im Vorjahr das Gesetz im Landtag durchgepeitscht – und alle überrumpelt.

Die Verunsicherung greift indes um sich. Also sprach Wissenschaftsminister Thomas Goppel: „Wir müssen etwas korrigieren. Ich weiß nur noch nicht was.“ Inzwischen melden sich aber auch viele, die vor einem Schnellschuss warnen. Und die Nichtraucher schlagen Alarm.

Seit Anfang des Jahres sind überall Raucherklubs aus dem Boden geschossen. Trotzdem klagen die Wirte über Umsatzeinbußen von 20 Prozent, wie Hans Schenner, Tourismus-Obmann der österreichischen Wirtschaftskammer, bei der Reisemesse in Berlin vorrechnete. Er reibt sich die Hände: Nach dem Tanktourismus hat längst ein Raucher-Tourismus in die Grenzregionen eingesetzt. „Bei uns können die Bayern noch freie Menschen sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2008)

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