Wirtschaftsflaute: Diamantenfieber lässt Anleger kalt

(c) AP (Sang Tan)
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Die Wirtschaftsflaute ließ die Nachfrage nach Diamanten ebenso drastisch sinken wie ihren Preis – als Krisenwährung sind die glitzernden „Schnäppchen“ dennoch nicht gefragt.

Marilyn Monroe wusste es: „Diamonds are a girl's best friend“, hauchte die Blondine im Film „Gentlemen Prefer Blondes“ und sprach damit Girls jeglichen Alters aus der Seele. Das tut sie noch immer. Die Glitzersteine lassen aber nicht nur die Herzen der Frauen höherschlagen. Jahrzehntelang stiegen – mit ganz wenigen minimalen Rückschlägen – die Preise für den durchsichtigen Kohlenstoff stetig und ließen die Kassen von Bergbaukonzernen, Schleifereien, Händlern und Juwelieren klingeln. Rund 14 Mrd. Dollar setzte die Diamantenindustrie 2008 um, knapp die Hälfte davon der Weltmarktführer De Beers.

Von diesem Wert war 2009 keine Rede mehr, auch wenn sich die Preise gegen Jahresende etwas erholt haben. Sie liegen aber nach wie vor 35 Prozent unter den Durchschnittspreisen von 2008. Nicht, dass Diamanten ihre Faszination verloren hätten – im Gegenteil. Aber in Zeiten, in den sogar Oligarchen jeden Dollar umdrehen und Banker statt Boni blaue Briefe erhalten, ist die betuchte Klientel rar. Im Gegensatz zu Gold, das in der Krise als „sicherer Hafen“ boomt, sind Diamanten ein Luxusartikel und als Krisenwährung nicht gefragt.

Warum eigentlich? Unter dem Kopfpolster wären die Preziosen ja leichter zu horten als Goldbarren. „Für Gold gibt es einen Börsenhandel, der Preis wird täglich genau bestimmt“, erklärt Josef Stefan, Hauptschätzmeister und Chef des Juwelenlabors im Dorotheum. Außerdem gibt es für Gold einen geregelten Markt für den An- und Verkauf – über Banken und in Österreich die Ögussa. All das fehlt bei Diamanten. An den großen Börsen in Antwerpen, New York und in Israel werden nur Rohdiamanten gehandelt, die dann hauptsächlich in Indien und China geschliffen und poliert werden.


Zertifikat gegen „Blutdiamanten“. Für geschliffene Steine – ob „nackt“ oder in Schmuckstücken – gelten die vier C: Carat (Gewicht), Color (Farbe), Clarity (Reinheit) und Cut (Schliff). Außerdem muss jeder Stein ein „Kimberley“-Zertifikat haben als Beweis, dass es sich nicht um einen „Blutdiamanten“ handelt (in Sierra Leone und dem Kongo wurden blutige Bürgerkriege mit dem illegalen Export von Diamanten finanziert und Kriege um Diamanten geführt).

„Der Preis hängt aber letztlich davon ab, wie viel ein Käufer bereit ist zu zahlen“, sagt Stefan. Eine Expertise ist unabdingbare Voraussetzung, aber dennoch keine Garantie, dass der Klunker beim Verkauf tatsächlich das eingesetzte Kapital bringt. Kein Wunder, dass sich „Normalverbraucher“ scheuen, in edle Steine zu investieren. Obwohl man jetzt von Schnäppchen reden könnte – sieht man von ausgesucht großen, seltenen Exemplaren ab.

Die USA, traditionell Abnehmer von rund der Hälfte der weltweit geschürften Diamanten, ließen im Vorjahr besonders stark aus. Das spiegelt sich deutlich in der Geschäftsentwicklung des Nobeljuweliers Tiffany wider: Dort rasselte der Umsatz auf dem Heimmarkt ab dem vierten Quartal 2008 herunter, während er etwa in Europa nur moderat fiel. Aber auch Industriediamanten, die als Schneide- und Schleifwerkzeuge einsetzt werden, sind derzeit wenig gefragt, weil etwa Bergbaukonzerne ihre Aktivitäten drastisch einschränken.

Die sinkende Nachfrage drückt die Preise, die 2007 und 2008 mehr gestiegen sind als in den acht Jahren zuvor. Schon bei der ersten Verkaufsveranstaltung von De Beers im Vorjahr – einem der zehnmal jährlich stattfindenden „Sights“ für ausgewählte Kunden – gab es lange Gesichter: Der Umsatz lag Schätzungen zufolge auf einem Niveau, das so niedrig war wie in den letzten 25 Jahren nicht.

Wenn die Produzenten nicht reagiert und die Förderung gedrosselt hätten, wäre der Preisverfall noch schlimmer ausgefallen. Minen wurden stillgelegt, neue Felder – etwa im Kongo – nicht weiter erschlossen. Tausende Arbeiter, vor allem in Südafrika, verloren ihren Job. De Beers als Marktführer kommt in diesem Schrumpfungsprozess eine Sonderrolle zu: Das Unternehmen, das zu 45 Prozent dem Rohstoffkonzern Anglo American und zu 40 Prozent der Familie Oppenheimer gehört (15 Prozent hält das weltgrößte Diamantenland Botswana), agierte in der schwersten Krise so wie schon in schwierigen Zeiten zuvor: Es steuerte über die Verknappung des Angebots die Preise. Und zwar auf zweierlei Art und Weise: Entweder bleiben die Steine im Boden, es wird also weniger gefördert, oder sie „verschwinden“ in den konzerneigenen Tresors. „De Beers hat schon immer Steine selbst aufgekauft und so die Preise stabilisiert – das hat immer funktioniert“, sagt Stefan.


Strengkontrollierter Markt. Diese Vorgangsweise ruft gleichermaßen Kritik wie Zustimmung hervor. „Natürlich hat De Beers eine nahezu unantastbare Stellung, wogegen die kleineren Fördergesellschaften ankämpfen“, erklärt Stefan. „Aber die kleinen Minen profitierten bisher genauso wie die Händler: Der Markt ist kontrolliert – und das ist gut.“

2009 funktionierte dieses System nur bedingt, weil auch De Beers von der Krise überrascht wurde, wie Marketingdirektor Stephen Lussier eingestand. Der Konzern, nicht börsenotiert und daher immer sehr diskret, überraschte die Branche mit der Ankündigung, 2009 eine Halbierung des Umsatzes zu erwarten.

Die Fördermenge dürfte sich vorläufigen Schätzungen zufolge jedenfalls halbiert haben. Im ersten Halbjahr 2009 fiel sie um 73 Prozent auf 6,6 Millionen Karat, was De Beers einen Verlust von 164 Millionen Dollar bescherte. Ob sich im Gesamtjahr ein Gewinn ausging, ist noch nicht bekannt.

Russland nützte jedenfalls die günstigen Preise für sich und verkaufte knapp vor Jahreswechsel 30 Tonnen Gold aus der Staatsreserve an die Zentralbank. Mit dem Erlös will das Land beim größten russischen Produzenten Alrosa Diamanten im Wert von 32,5 Milliarden Rubel (758 Millionen Euro) kaufen.


Die Aktie im Ohr. Die Analysten von RBC Capital rechnen erst im Laufe des Jahres 2010 mit einer langsamen Erholung des Marktes für die Luxussteinchen. Bis dahin bleibt der Branche nur eine Hoffnung: Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schenken sich Menschen Diamanten als Liebesbeweis, sagt De-Beers-Boss Nicky Oppenheimer.

So viel Pessimismus können Stefan und seine Kollegin Astrid Fialka vom Dorotheum nicht nachvollziehen. „Bei Auktionen gab es genügend Interessenten – nicht nur aus Österreich“, erzählt Fialka, Chefin der Juwelen- und Uhren-Auktionen. Auch ein Collier inklusive fünfkarätigen Diamantanhängers fand einen Käufer – den Preis will Fialka aber nicht verraten. Nur so viel: Der Schätzpreis lag bei 220.000 bis 360.000 Euro. Für einen lupenreinen weißen Einkaräter (River) müsse man nach wie vor 40.000 bis 45.000 Euro auf den Tisch legen.

Fialka ortet auch eine Änderung des Kaufverhaltens. „Das Interesse an Diamanten als Kapitalanlage steigt.“ Für Fialka macht das ohnehin Sinn, denn man könne das Schöne mit dem Nützlichen verbinden. Die Aktie im Ohr oder um den Hals? „Sozusagen“, lacht Fialka. Allerdings würde sie nicht das ganze Ersparte in einen Stein investieren, da würden dieselben Regeln wie bei Aktien oder Gold gelten.

Außerdem solle man Diamanten als langfristige Investition sehen. Denn wer kurzfristig verkaufen muss, riskiere hohe Einbußen. Auch das ist ja bei Aktien nicht anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2010)

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