Ungarn-Slowakei: „...sonst treiben uns Nationalisten in den Ruin“

(c) EPA (Karoly Gyoeri)
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Die Premiers beider Länder wollen bei einem Krisengipfel die bilateralen Spannungen mildern.

BUDAPEST. Die Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei, Ferenc Gyurcsány und Robert Fico, wollen am Samstag in der geteilten Grenzstadt Komarno/Komáron zusammenkommen, um zu beraten, was gegen die weitere Verschlechterung der bilateralen Beziehungen unternommen werden kann. Im ungarisch-slowakischen Grenzgebiet ist es in den vergangenen Tagen zu Prügeleien in Fußballstadien, Verhaftungen von ungarischen Extremisten, Straßenblockaden, Fahnenverbrennungen und Ortstafelübermalungen gekommen.

Im Parlament in Budapest hat Premier Gyurcsány zuletzt gewarnt: „Wir müssen aufpassen, sonst treiben uns die Nationalisten in den Ruin.“ Einerseits würden ungarische Nationalisten die Slowakei provozieren, andererseits hetzten slowakischen Nationalisten ständig gegen Ungarn.

Zu Wochenbeginn hatten Mitglieder der rechtsradikalen Partei „Jobbik“ und ihr paramilitärischer Arm, die „Ungarische Garde“, Straßenblockaden vor fünf ungarisch-slowakischen Grenzübergängen errichtet. Auf Transparenten war zu lesen: „Willkommen in der Slotakei“ – eine Anspielung auf den Chef der rechtspopulistischen Chef der Slowakischen Nationalpartei (SNS), Ján Slota.

Oberprovokateur Ján Slota

Slota bringt mit seinen wüsten antimagyarischen Ausfällen die starke ungarische Minderheit im eigenen Land sowie auch Ungarn immer wieder zur Weißglut. Slotas SNS sitzt in der Regierung von Premier Fico. Einmal schlug Slota vor, die Slowakei solle mit Panzern gegen Budapest vorrücken. Dann wieder erklärte er, die Ungarn seien eine „mongolische Rasse“, die nur deshalb zu Europäern wurden, weil sie jahrhundertelang in der Nachbarschaft von Slawen lebten.

Premier Gyurcsány hat sich unterdessen mit den Spitzen aller ungarischen Parlamentsparteien zusammengesetzt, um im Streit mit den Slowaken eine gemeinsame ungarische Position zu finden. Dabei wurden auch die jüngsten Aktionen ungarischer Extremisten verurteilt, etwa das Verbrennen einer slowakischen Fahne vor der slowakischen Botschaft in Budapest.

Ungarische Experten können sich die derzeitigen Spannungen zwischen der Slowakei und Ungarn nur schwer erklären. Die Historikerin Mária Ormos weist darauf hin, dass es zwischen den zwei Nachbarländern in der Geschichte immer wieder Irritationen und Konflikte gegeben hätte, für die aber stets eindeutige Gründe existiert hätten. Heute hingegen sieht sie keinen ersichtlichen Grund für die Spannungen: „Diese sind völlig sinnlos und dienen, zumal in der Slowakei, allein der politischen Effekthascherei“, meint Ormos.

AUF EINEN BLICK

Bis zu 600.000 Menschen zählt die ungarische Minderheit der Slowakei. Nationalistische slowakische Politiker sorgen mit antimagyarischen Ausfällen immer wieder für Empörung unter der Minderheit. Andererseits hetzen ungarische Nationalisten gegen die Slowakei von jenseits der Grenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2008)

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